REIHE UNTERWEGS

Kaiserliche und königliche Zuckerbäckerei in Bad Ischl

Text und Fotos: Winfried Dulisch

Die Kaiserin Elisabeth kaufte hier Veilchenpastillen mit Schokoladenglasur. Mehr als 150 Jahre später produziert der Konditor-Meister Josef Zauner diese „La Violetta“ immer noch. Unser Autor Winfried Dulisch fühlte sich „beim Zauner“ wie in den Zeiten von Sissi.

Österreich - Bad Ischl - Zauner

Das Café “Zauner Esplanade“ ist für Radwanderer bestens erreichbar

Josef Zauner ist Österreicher. Und als Österreicher liebt er es überhaupt nicht, wenn die Gemahlin von Kaiser Franz-Joseph I. ohne jeglichen Hauch von warmherziger Leichtigkeit in der Stimme als „Sissi“ tituliert wird. Josef Zauner erinnert seinen deutschen Gesprächspartner bestimmt aber höflich an diesen kleinen Unterschied: „Unsere Kaiserin Elisabeth wurde von ihren Untertanen liebevoll ‚Sisi’ genannt.“

Zur „Sissi“ wurde Elisabeth Amalie Eugenie, Herzogin in Bayern und spätere Kaiserin von Österreich und Ungarn, erst nach ihrem Tode (1898). Doch spätestens seitdem Romy Schneider diese Rolle spielte, hat die historische Wahrheit keine Chance mehr gegen das Drehbuch der Film-Trilogie. Eine Museumsführerin in der Kaiservilla von Bad Ischl kann davon ein Lied singen: „Ich wurde schon oft von deutschen Besuchern als Lügnerin bezeichnet, wenn ich von den drei Töchtern und dem Sohn der Kaiserin erzähle. Als Begründung gaben diese Kritiker an, dass in den Romy Schneider-Filmen doch immer nur zwei niedliche Kinder zu sehen sind.“

Österreich - Das Post-und-Telegraphen-Amt und die Trinkhalle erinnern in Bad Ischl an k. u. k. Zeiten

Das Post-und-Telegraphen-Amt und die Trinkhalle erinnern in Bad Ischl an k. u. k. Zeiten

Aber niemand bezweifelt diese historischen Daten: 1827 kamen die Eltern des späteren Kaiser Franz Josef I. erstmals zu einer Sole-Kur nach Bad Ischl und verwandelten das Städtchen im oberösterreichischen Salzkammergut in eine Boom-Town. Ab 1849 regierte der Franzl bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs in den Sommermonaten sein Habsburger Reich von Bad Ischl aus. 1853 verlobte er sich in der dortigen Kaiservilla – an dieser Stelle endet Part One der „Sissi“-Trilogie und die tränenfeuchten Taschentücher können wieder eingesteckt werden – mit seiner Cousine Elisabeth, genannt „Sis(s)i“.

Zum Vernaschen

Irgendwann betrat – wir nennen sie jetzt einfach mal so – Sissi die Geschäftsräume des Johann Zauner (1803-68). Hier in der Pfarrgasse von Bad Ischl verlangte die Frau Kaiserin ihre Lieblings-Süßigkeit: Veilchenpastillen mit Schokoladenglasur. Dieser Ritterschlag bestätigte den Johann Zauner endgültig als kaiserlichen und königlichen – kurz: k. u. k. – Hoflieferanten für Mehlspeisen (ein Austriazismus für Süßspeisen, die aber nicht unbedingt Mehl enthalten müssen) und anderes mit handwerklicher Sorgfalt angefertigtes Naschwerk.

Österreich - Bad Ischl

Eigentlich verdankt Bad Ischl seinen Ruhm nicht dem süßen Zucker, sondern dem Salz. 1821 informierte sich der Wiener Arzt Dr. Franz Wirer in Ischl (damals noch nicht: Bad) über die Arbeit eines Kollegen, der die heilende Wirkung von Solebädern an Salinen-Arbeitern des Salzkammerguts erprobt hatte. Zwei Jahre später wurde die erste Ischler Sole-Badestube eröffnet und lockte Kur-Touristen aus ganz Europa.

Doch der Mensch lebt nicht vom Solebad allein. Deshalb holte der geschäftstüchtige Dr. Wirer den Weinschenker und Zuckerbäcker Johann Zauner aus Wien nach Ischl. Die erste Konditorei Zauner wurde in der Maxquellgasse eröffnet. 1832 verlegte die Firma ihr Stammhaus in die Pfarrgasse, wo es heute noch das nostalgische Flair einer nicht immer so guten alten Zeit verströmt.

Österreich - Bad Ischl - Rauchsalon

Zauners Laden brummte. Ischl mauserte sich damals zu einem Tummelplatz der Promis. Adeliges Volk sowie die Reichen und Schönen von bürgerlicher Herkunft reisten zum Zwecke der Sommerfrische hier hin. Ab 1906 firmierte der Sole-Kurort als: Bad Ischl. Und jene kaiserliche Hoheit, die beim Zauner in der Pfarrgasse immer ihre Veilchenpastillen mit Schokoladenglasur gekauft hatte, wurde – zumindest im Schlafgemach des Franz Joseph I. – 1885 abgelöst durch eine gewisse Katharina Schratt.

Nicht nur Sissi war süß

Die Schauspielerin und Kaiser-Geliebte inspirierte Johann Zauners Sohn Karl (1846-89) zu der wohl historisch relevantesten Spezialität des Hauses. Dabei ist dieser Zauner-Gugelhupf – auch bekannt als Germgugelhupf Franz Joseph – doch eigentlich nur ein kleiner runder Hefekuchen. Katharina Schratt ließ täglich ein Exemplar davon beim Zauner anfertigen für den Fall, dass die Backkünste der Mätresse den Kaiser mal nicht vollständig befriedigt haben sollten.

Österreich - Bad ISchl - Josef Zauner und Zauner Guglhupf

Josef Zauner und Zauner Guglhupf

Doch die bekannteste Zauner-Creation sind die Ischler Oblaten – oder besser gesagt: der aus ihren Bruchstücken entwickelte Zaunerstollen. Josef Nickerl, ein aus Böhmen kommender Patissier, verfeinerte für die anspruchsvolle Zauner-Kundschaft das Rezept der Karlsbader Oblaten – zwei dünne Teigplättchen mit einer Zucker-und-Mandelsplitter-Masse dazwischen. Doch in den Zeiten der vorindustriellen Backwaren-Fertigung entsprachen diese Oblaten nicht immer den hohen Qualitäts-Anforderungen eines Viktor Zauner (1877-1950), der die dritte Generation der Zauner-Dynastie repräsentierte.

Marketing-Idee

Manche Oblaten waren zu groß oder zu klein. Viele von diesen empfindlichen Kostbarkeiten gingen sogar zu Bruch – zur Freude der Ischler Kinder. "Für einen Kreuzer Nickerl-Batz!" verlangten die kleinen Schleckermäuler – eigentlich ein schönes Kompliment für den Waffelbruch-Produzenten Josef Nickerl. Sogar die Erwachsenen – Einheimische wie auch Fremde – fragten nach dem Nickerl-Batz. Trotzdem – oder gerade deswegen – ruhten sich Marketing-Stratege Viktor Zauner und sein Patissier sich auf diesen Lorbeeren nicht aus und kreierten lieber daraus ein neues Produkt.

Österreich - Bad Ischl - toiletten telephon

Zauner und Nickerl vermischten die zerkleinerten Oblatenreste mit einer nougatartigen Haselnuss-Schokolade-Masse und formten daraus kleine Makronen – nein, das war es noch nicht. Erst als sie diese Teigmasse in eine längliche Kuchenform füllten, sie dort trocknen ließen und anschließend mit einer Schokolade-Glasur überzogen, hatten sie das Rezept gefunden für den Zaunerstollen. Von diesem Ergebnis schnitt sich jeder von beiden eine fingerdicke Scheibe ab – großartig, kein Ausbrechen, kein Zerbröseln.

Viktor Zauner und Josef Nickerl konnten sich gegenseitig auf die Schulter klopfen. Denn sie hatten eine österreichische Spezialität kreiert, die nicht nur geographisch – sondern auch geschmacklich – irgendwo zwischen der Salzburger Mozartkugel und der Wiener Sachertorte angesiedelt ist. Der Kalauer „Isst man einen Zaunerstollen, wird man einen Stauner zollen!" beschreibt diese Mehlspeisen-Creation durchaus treffend.

Österreich - Bad ISchl - In dieser Umgebung macht das Servieren Spaß

In dieser Umgebung macht das Servieren Spaß

Silvia Renate Sommerlath – heute besser bekannt als Königin Sylvia von Schweden – hatte in ihrer Münchener Studentenzeit immer wieder mal beim Zauner einen Oblaten-Strudel gekauft. Die Hörbigers, Hans Moser und andere Burgschauspieler saßen oft beim Zauner zusammen. Helmut Kohl war hier Stammgast, wenn er in St. Gilgen Urlaub mit seiner Hannelore Urlaub machte. Karlheinz Böhm, Niki Lauda und andere Auslands-Österreicher kommen hier vorbei, um beim Zauner für ein Stündchen den Hauch vom guten alten Österreich einzuatmen.

Dieser Erfolg hat natürlich viele Nachahmer. Doch als heutiger Geschäftsführer bleibt Josef Zauner (geboren 1948) diesbezüglich gelassen: „Unsere Rezepte kann jeder gerne kopieren.“ Der Zauner-Traditionspfleger verrät seine Back-Geheimnisse sogar als TV-Konditor den Zuschauern vom ORF und dem Bayrischen Rundfunk.

Als Konditor mit einem deutschen und einem österreichischen Meisterdiplom („Eigentlich lautet meine Berufsbezeichnung – zumindest in Österreich – nicht Konditor, sondern Zuckerbäcker.“) fürchtet Josef Zauner aber vor allem aus der nördlichen Nachbarschaft keine Konkurrenz. „Deutsche Gäste fragen mich ständig, warum unser Strudel so lecker ist. Das ist einfach zu erklären: Wir verarbeiten keinen vorgefertigten Strudelteig.“ Beim Zauner wird der Strudel immer noch mit der Hand ausgezogen. Josef Zauner versichert: „Mit der gleichen Sorgfalt arbeiten wir auch bei unseren übrigen Mehlspeisen.“

Damit pflegt er eine österreichische Tradition und ist damit dem Hotel Sacher vergleichbar. Aber im Gegensatz zu seinen Wiener Kollegen, die keine Sachertorte für Diabetiker produzieren, denkt Josef Zauner auch an diese Klientel. „Der erste Kunde, der danach gefragt hatte, war der Operetten-Komponist Franz Lehar.“ Der Schöpfer von „Die lustige Witwe“ und „Der Zarewitsch“ lebte gleich gegenüber auf der anderen Seite des Traun-Flusses in einer rosaroten Villa.

Österreich - Bad ISchl - lehar villa

Und wofür lohnt sich dieser ganze Aufwand? – „Meine Frau sagt immer zu mir: Josef, mach dir keine falschen Hoffnungen, sie wird nie wieder kommen.“ – Aber der k.u. k. Zuckerbäcker aus Bad Ischl lässt sich diesbezüglich nicht entmutigen. – „Irgendwann steht die Kaiserin Elisabeth bei mir vor dem Tresen und verlangt ihre Veilchenpastillen mit Schokoladenglasur. Soll ich ihr dann etwa erzählen, dass die nicht mehr so schmecken wie vor 150 Jahren?“

Österreich - Bad Ischl - Zauner

Informationen

Tourismusverband Bad Ischl
Auböckplatz 5 - Trinkhalle
A-4820 Bad Ischl
Telefon: +43(6132)27757
www: www.badischl.at

Konditorei Zauner
Pfarrgasse 7
A-4820 Bad Ischl
Telefon: +43 (06132) 23310-13
www.zauner.at

 

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