REIHE UNTERWEGS

Die Wanda Sacher-Masoch Torte

Kulinarisches aus Graz

Text: Winfried Dulisch
Fotos: Atelier Andessner (2) & Winfried Dulisch (9)

Worin besteht der geschmackliche Unterschied zwischen dem Erzherzog Johann und dem Skandal-Schriftsteller Leopold Ritter von Sacher-Masoch? – Winfried Dulisch fragte den Grazer Torten-Designer Karl Fröhlich.

Österreich - Graz - Zwei Torten-Creationen: Wanda (hinten) und Erzherzog Johann

Zwei Torten-Creationen: Wanda (hinten) und Erzherzog Johann

Kaum zu glauben, aber dieses ist der Beginn einer süßen Geschichte: Richard von Krafft-Ebing (1840-1902) war Direktor der steiermärkischen Landes-Irrenanstalt in Feldhof bei Graz und hatte einen Lehrstuhl für Psychiatrie an der Grazer Universität. 1886 veröffentlichte der Nervenarzt und Rechtsmediziner seine „Psychopathia sexualis“. In diesem Standard-Lehrbuch für Kriminologen beschrieb er auch jene menschlichen Verhaltensweisen, die er zusammenfasste unter dem Begriff „Masochismus“.

Kurz vor dem Höhepunkt

Richard von Krafft-Ebing bezog sich mit dieser Bezeichnung auf Leopold Ritter von Sacher-Masoch (1836-1895). Dieser hatte in seinem 1870 erschienen Roman „Venus im Pelz“ die Freuden und Leiden eines Mannes beschrieben, der durch Schmerz und Unterwerfung das vollkommene Liebesglück zu erlangen versucht. Aber damit hat die süße Geschichte lange noch nicht ihren Höhepunkt erreicht.

Graz ist die Hauptstadt der Steiermark, dem Bundesland im Südosten der Republik Österreich. 2003 war Graz auch Europäische Kulturhauptstadt. An den Sexual-Wissenschaftler erinnerte damals bereits – und zwar ausgerechnet in dem von einer barocken Wallfahrtskirche überragten Stadtteil Mariatrost – die Krafft-Ebing-Gasse.

Österreich - Graz - Mariatrost

Einem Leopold Ritter von Sacher-Masoch, der als Dozent für Geschichte an ihrer Universität gelehrt hatte, hatten die Grazer bis dahin kein solches Denkmal gesetzt. Das fand die Performance-Künstlerin Irene Andessner überhaupt nicht süß. Also würdigte sie den „Erfinder“ des Masochismus 2003 angemessen im Rahmen eines Kulturhauptstadt-Projekts: Irene Andessner inszenierte sich selbst als Wanda Sacher-Masoch, als Ehefrau des Masochismus-Erfinders – und damit als „Venus im Pelz“.

Vom Brautmodengeschäft bis hin zum Eishockeystadion reichte die Liste der Locations für diese Selbst-Inszenierung. Einen weiteren Tatort für die künstlerische Überhöhung ihrer sadistischen Fantasien stellte ausgerechnet das altehrwürdige Palais-Hotel Erzherzog Johann der Künstlerin zur Verfügung. Hotelier Bernhard Reif-Breitwieser empfindet diese Entscheidung als eine Selbstverständlichkeit: „Schließlich hatte Leopold Ritter von Sacher-Masoch bei seinen Graz-Aufenthalten immer gerne in unserem Hause gewohnt.“

Designer-Suite

Den Vorstellungen von Irene Andessner entsprechend wurde hier das Zimmer 208 zur „Wanda Sacher-Masoch Suite“ umgestaltet. Und diese Hommage an jene Frau, die einst ihren Ehemann Leopold zu einem Klassiker der erotischen Literatur inspiriert hatte, liegt Tür an Tür mit der „Kaiser Suite“ und der „Erzherzog Johann Suite“.

Österreich - Graz - Erzherzog Johann

Erzherzog Johann

Vom Erzherzog Johann Baptist Josef Fabian Sebastian von Österreich (1782-1859) sprechen die Menschen in der Steiermark heute noch mit Hochachtung – und zwar nicht allein wegen seiner sozial- und kultur-politischen Leistungen. 1829 heiratete dieser Verwandte der österreichischen Kaiser-Familie die Tochter eines Postmeisters, verlor durch diese Ehe mit einer Bürgerlichen seine Ansprüche auf den Wiener Thron – und wurde damit endgültig zum König der steirischen Herzen.

National-Jodler

Die heimliche Nationalhymne der Steiermark – der „Erzherzog Johann Jodler“ – ist jedem Loriot-Fan („Jodeldiplom“) bekannt. Aber in Vergessenheit ist geraten, dass 1848 der Erzherzog Johann das erste von einem Parlament gewählte gesamtdeutsche Staatsoberhaupt wurde. Die Liste seiner Nachfolger reicht von Bismarck, Adenauer, Brandt und Kohl bis Angela Merkel und so weiter. 

Österreich - Graz - Ob im Wirtshaus oder auf der Alm: Die Steirer singen, tanzen, jodeln

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„Wir stellen auch Mozartkugeln her“, betont Karl Fröhlich, Pâtissier im Palais-Hotel Erzherzog Johann, „und zwar mit den gleichen Zutaten wie meine Kollegen in Salzburg – Mandelnougat, Pistazien, Marzipan.“ Doch er versteht sich auch „als Torten-Designer, als kreativer Teil der Design-Metropole Graz.“ Seit 2010 darf die Hauptstadt der Steiermark den Beinamen “UNESCO City of Design“ führen.

Designer-Torte

Die bekannteste Kreation von Karl Fröhlich ist die „Wanda Sacher-Masoch Torte“. Das optische Konzept – zwei weiße Dreiecke, die einen masochistisch-unterwürfigen Augenaufschlag symbolisieren sollen – stammte von Irene Andessner. Eine weitere Vorgabe der Künstlerin war: Schwarz, Weiß und Rot – also jene Farben, die auch das Zimmer 208 im Palais-Hotel Erzherzog Johann beherrschen. Das gustorische Erscheinungsbild der „Wanda“ wurde kreiert von Karl Fröhlich.

Der Pâtisserie-Designer wird immer wieder gefragt: Ist seine Sacher-Masoch-Torte nicht einfach nur eine Wortspielerei, die mit einem Augenzwinkern in Richtung Wiener Sachertorte schielt? – Karl Fröhlich antwortet lächelnd wie gleichzeitig auch mit ernsthaftem Stolz: „Als ich 2002 das Rezept entwickelte, hatte ich eine genaue Vorstellung davon, wie Sacher-Masoch im Vergleich zu Sacher ohne Masoch schmecken soll.“

Österreich - Graz - Karl Frölich

Der Geschmackstest ergibt: Die Wanda Sacher-Masoch Torte schmeckt schokoladig, im Vergleich zur mürberen Sachertorte beinahe sogar schon pralinig. Karl Fröhlich macht aus dem Rezept kein Geheimnis: „Ihren Geschmack verdankt sie einer milden Ribisel-Marmelade.“ Für deutsche Nachahmer heißt das: Johannisbeer-Marmelade. Und weil er keine Konservierungsstoffe verwenden mag, umkleidet Karl Fröhlich seine Wanda mit einer großzügigen Marzipan-Umhüllung. „Deshalb bleibt sie so saftig frisch.“

Saftig frisch – wo wir gerade beim Thema sind, fragen wir einfach mal so: Stimuliert die Wanda-Torte auch die Libido? – Diese Frage hat Karl Fröhlich schon oft gehört, er muss aber augenzwinkernd immer die gleiche enttäuschende Antwort geben: „Nein. Die Wanda ist kein Aphrodisiakum.“

Österreich - Graz - Wanda Suite

Wanda Suite, Foto: Atelier Andessner

Aber die Suite 208 vom Palais-Hotel Erzherzog Johann kann und will ihren Hauch von Frivolität überhaupt nicht verheimlichen. Und von diesem Image profitiert auch dieses Patisserie-Designerstück, das von Karl Fröhlich im Kulturhauptstadt-Jahr 2003 als Hommage an den Roman-Autoren Leopold Ritter von Sacher-Masoch geschaffen wurde. Und Wanda ist keine Eintragsfliege. – „Sie wird heute auch gerne für Hochzeiten bestellt. Diesbezüglich übertrifft sie inzwischen unsere übrigen Torten-Creationen.“

Oben ohne

In manchen Wiener Kaffeehäusern ist Schlagobers – also: Schlagsahne – auf einer Sachertorte verpönt. „Das verlangen nur die Piefkes“, an der Sahnehäubchen-Bestellung erkennen die Kaffeehaus-Kellner in Wien den deutschen Touristen. Im „Wintergarten“, dem Cafe Restaurant vom Palais-Hotel Erzherzog Johann, fragt der Kellner bei der Bestellung einer Wanda Sacher-Masoch den Gast aber höflich: „Mit oder ohne Schlagobers?“

Zurück zu den inneren Werten – und zwar zu denen von der anderen Torten-Spezialität, die im Grazer „Wintergarten“ angeboten wird. Mag der Patisserie-Designer auch das Geheimnis der stadtbekannten Erzherzog Johann-Torte verraten? – Karl Fröhlich: „Ihren zart rauchigen Geschmack verdankt sie den gehackten Kürbiskernen und einem Schuss echtes steirisches Kernöl.“

Österreich - Graz - Kürbis

Steirisches Kürbiskernöl – die einen belächeln es als „Wagenschmiere“, aber die meisten Steirer können sich zum Beispiel einen Salat o.K. (ohne Kernöl) überhaupt nicht vorstellen. Eine Bäuerin verrät auf dem Markt an der Oper nur zu gerne, was sie sich jeden Abend gönnt: „Ich zerkleinere mir eine Zwiebel, gebe eine Prise Salz und einen Schuss Kernöl dazu und tunke ein Weißbrot hinein.“

Dem Öl aus kalt gepressten Kürbiskernen wird – zumindest in der Steiermark – auch nachgesagt, dass es die Manneskraft und überhaupt das körperliche Wohlbefinden steigern könne. Womit wir wieder einen mehr oder weniger eleganten Bogen zum Raum Nummer 208 geschlagen haben. „Manche Gäste verlangen ausdrücklich die Wanda Suite“, kann der Hotel-Direktor Bernhard Reif-Breitwieser bestätigen.

Heimwerker-Zubehör

Aber mehr als eine kleine Episode ist dem diskreten Hotelier nicht zu entlocken: „Die Stubenmädchen fanden beim Aufräumen der Wanda Suite schon mal ein rotes Bergsteigerseil und ein undefinierbares Kleidungsstück aus einem Plastik- oder Latex-ähnlichen Material. Das stammte aber nicht aus einem Sexshop, sondern es schien wohl eher aus einem Heimwerker-Markt zu kommen.“

Österreich - Graz - Wanda Museum

Foto: Atelier Andessner/p>

Hatte der Erotik-Bestseller „Shades Of Grey“, in dem auch sado-masochistische Leibesübungen beschrieben werden, eine neue Klientel für das Zimmer mit der Nummer 208 interessiert? – Nein. Ausdrücklich erinnert Bernhard Reif-Breitwieser daran: „Die Wanda Suite ist eine Raum-Installation, ein bewohnbares Kunstwerk – also weder ein Stundenhotel-Zimmer noch eine Kultstätte für Sacher-Masoch-Fans.“ Aber ein Geheimtipp ist die 208 schon und wird zum Beispiel gerne verschenkt an Silberhochzeitspaare und zu anderen erfreulichen Anlässen.

Höhepunkt der Lust

Muss man, um einen Aufenthalt in der Wanda Sacher-Masoch Suite und den Verzehr der gleichnamigen Torte so richtig genießen zu können, vorher die „Venus im Pelz“ gelesen haben? – Bernhard Reif-Breitwieser schaut sich kurz um, aber er darf sich unbelauscht fühlen und kann offen reden: „Nach 50 Seiten habe ich das Buch gelangweilt weggelegt und mir lieber eine Wanda-Torte gegönnt. Und zwar mit Schlagobers.“

Österreich - Graz - Wanda-Torte

Reiseinformationen

Allgemeine Informationen über Graz

http://www.graztourismus.at

Palais Hotel Erzherzog Johann
Sackstraße 3-5
Graz, Österreich
Telefon +43 316 811616
Fax +43 316 811515
http://www.erzherzog-johann.com/

Allgemeine Informationen über Österreich

http://www.austria.info
Telefon: 00 800 – 400 200 00 (gebührenfrei für Festnetz-Anrufer aus Deutschland)

Österreich - Blick über die Altstadt von Graz

Blick über die Altstadt von Graz

 

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