REIHE UNTERWEGS

Mozart-Balls und fliegende Bullen

Salzburger Originale und Originelles

Text und Fotos: Winfried Dulisch

Wolfgang Amadeus komponierte niemals ein Rezept für jene Schoko-Kugeln, die nach ihm benannt wurden. Doch bei dem Schnitzel mit Spaghetti und Ketchup, bei den Nockerln und einigen anderen Salzburger Spezialitäten konnte unser Autor Winfried Dulisch herausschmecken: Da steckt Musik drin.

Österreich - Salzburg - Flughafen

Salzburg Airport W. A. Mozart: Empfangshalle anno 1926

Diese Nachahmer kannste vergessen: Erstens jene Firma Mirabell aus Grödig bei Salzburg, die jährlich 90 Millionen angeblich „Echte“ Salzburger Mozartkugel produziert und in 30 Länder der Welt exportiert; außerdem Reber in bayrischen Bad Reichenhall, wo täglich 500.000 – ebenfalls „Echte“ – Reber-Mozartkugeln vom Fließband rollen und in 40 Länder verschickt werden. „Als Kind habe ich Mozartkugel-Imitationen gesammelt“, erinnert sich Martin Fürst. Heute ist er Geschäftsführer jenes Konditorei-Betriebs, den sein Ururgroßvater aufgebaut hatte.

Die Fürst-liche

1890 hatte Paul Fürst diese mit Nougat umhüllte, anschließend in dunkle Kuvertüre getauchte Praline kreiert und nach dem größten Sohn der Stadt Salzburg benannt. Martin Fürst: „In meiner Mozartkugel-Sammlung hatte ich mindestens 30 verschiedene Nachahmungen.“ Aber als zum Beispiel eine Nestlé-Tochterfirma die „Original Austria Mozartkugel“ produzieren wollte, musste sie sich 1996 in dritter Instanz endgültig bescheiden lassen: Der Name „Original Salzburger Mozartkugel“ darf nur verwendet werden von der Cafe-Konditorei Fürst, Brodgasse 13, Salzburg.

Österreich - Salburg - Original Mozartkugeln

Martin Fürst erklärt die Zutaten der Original Mozartkugeln

Doch was kümmert den Liebhaber von Edel-Süßigkeiten die Meinung der Juristen? Interessanter ist dieses Urteil: Das Fachmagazin „Der Feinschmecker“ erklärte 2006 die von der Konditorei Fürst produzierte „Original Salzburger“-in bei einem Mozartkugel-Vergleichstest zum Sieger. In ihrer Begründung schwärmten die Tester davon, sie weise einen Nougat-Geschmack mit leicht bitterer Marzipan-Pistazien-Note auf. Außerdem wird von kritischen Juroren beim Original immer lobend hervorgehoben, dass die Fürst-liche noch von Hand gefertigt wird.

Unikate

Und jetzt die schlechte Nachricht: Die Original Mozartkugel gehört zu den standortgebundenen Attraktionen der Stadt wie das „Jedermann“-Mysterienspiel neben dem Dom oder das Adventssingen im Festspielhaus. Denn es gibt sie nur in den vier Salzburger Fürst-Läden zu kaufen. Diese regionale Selbstbeschränkung wird notwendig durch den unverfälscht vollmundigen Geschmack des Originals. Die Konditorei Fürst verwendet keine Konservierungsmittel, deshalb ist ihre Praline-Spezialität nur sechs bis acht Wochen haltbar. Und weil sie in Handarbeit hergestellt werden, gleicht keines dieser Unikate dem anderen.

Österreich - Salzburg - Zutaten Mozartkugeln

Zutaten der Original Mozartkugel: Marzipan, Schokolade, Pistazien, Haselnüsse, Mandeln

Die Mozartkugel mit dem blau bedruckten Silberpapier ist also vergleichbar einem Champagner, für den die Feinschmecker auch gerne mal einen etwas höheren Preis bezahlen. Sämtliche Fürst-Mitbewerber sind daneben nur „Schaumwein-Produzenten“, die ihre haltbar gemachten Mozart-Balls in alle Welt exportieren. – Diesen Vergleich will Martin Fürst nicht unbedingt gelten lassen, er weiß aber auch kein Argument dagegen.

Nachahmer fand inzwischen auch jenes Dosengetränk, das – laut Werbeslogan – Flügel verleiht. Dietrich Mateschitz brachte das Rezept dafür aus Thailand mit und produzierte 1987 die erste Dose mit dem roten Stier. Heute ist dieses Label das weltweit bekannteste österreichische Markenzeichen. 2009 rangierte Dietrich Mateschitz als 3,7-facher Billionär (eine Zahl mit zwölf Nullen) auf Rang 151 der Forbes-Liste. Ein Formel-1-Team und der inzwischen zum europäischen Fußball-Spitzenclub aufgestiegene FC Red Bull Salzburg verdanken seinem Energy-Drink ihren Erfolg.

Österreich - Salzburg - Formel1-Bolide

Außerdem sammelt der Getränke-Hersteller historische Flugzeuge. Diese „Flying Bulls“ machen ihrem Namen regelmäßig alle Ehre als fliegende Museumsstücke. Am Boden werden sie zusammen mit Rennboliden aus der Mateschitz-Sammlung in dem eigens dafür erbauten „Hangar-7“ auf dem Flughafen mit dem romantisch klingenden Namen „Salzburg Airport W. A. Mozart“ ausgestellt. Der Hangar-7 entwickelte sich als postmodernes Bauwerk neben barocken Prunkbauten und der mittelalterlichen Festung zu einer Sehenswürdigkeit, die jeder Salzburg-Tourist besucht haben muss.

Witzigmann verleiht Flügel

Zum Hangar-7 gehört das Restaurant „Ikarus“ - benannt nach jenem griechischen Sagenhelden, der zur Sonne hinauf flog, bis ihm seine Flügel schmolzen. Ähnlich verwegen klingt das Konzept vom Hangar-7-Restaurant: Patron Eckart Witzigmann überlässt jeden Monat einem anderen internationalen Spitzenkoch die Lufthoheit über die Ikarus-Speisekarte. Lange vor seinem Arbeitsantritt – pardon, eigentlich muss es heißen: Auftritt – lernt der Tournee-Koch das Ikarus-Küchenteam kennen. Auch im übrigen Salzburg lassen Spitzenköche sich inzwischen gerne von Witzigmanns durchreisenden Koch-Künstlern inspirieren, denn stetiger Wandel verleiht der Kreativität Flügel.

Österreich - Salzburg - Treppenaufgang zum Standesamt im Schloss Mirabell

Treppenaufgang zum Standesamt im Schloss Mirabell

Keine Experimente erlauben dagegen die Salzburger Nockerln. Oder muss es heißen: der oder das Salzburger Nockerl? – Egal. Man reicht Salzburger Nockerln als drei Eierschaum-Zipfel auf einem Teller. Oder man serviert den oder die oder das Salzburger Nockerl in einer großen Auflaufform als Soufflee. Die Frage nach dem grammatikalischen Geschlecht hat sich im gastronomischen Tagesgeschäft aber ohnehin weitgehend erledigt, weil Salzburger Nockerln in der Mozart-Stadt kaum noch auf einer Speisekarte stehen.

Süß wie die Liebe

Im Restaurant Imlauer – fünf Minuten von der Salzburger Altstadt entfernt – darf der Gast aber noch eine Portion Nockerln bestellen. Woanders kann es allerdings passieren, dass ihm das Bedienungspersonal den Arbeitsaufwand für dieses filigran konstruierte Soufflee vorrechnet. Dabei hatte doch ausgerechnet der Oberkellner Leopold – gespielt von Peter Alexander – in dem Operetten-Film „Im Weißen Rössl“ mit Wiener Schmäh und jungenhaften Augenaufschlag so verführerisch davon geschwärmt: „…Soizburga Nockal, Soizburga Nockal – süß wie die Liebe und zart wie ein Kuss!“

Österreich - Salzburg - Trauungszimmer im Schloss Mirabell

Trauungszimmer im Schloss Mirabell

Eine Unköstlichkeit, die den Bewohnern der Mozart-Geburtsstadt überhaupt nicht schmeckt, verdankt ihren Ruhm sogar vollständig einem Schlagerliedchen: „My Favourite Things“ aus dem Broadway-Musical „Sound of Music“. Dessen Hollywood-Version ist seit Mitte der 60er Jahre weltweit ein Kultfilm – außer im deutschsprachigen Raum. Denn erstens liebten die Kinogänger hierzulande bereits seit 1956 jene biedere Filmschnulze, die als Vorlage für den mit fünf Oscars ausgezeichneten US-Schinken diente. Und zweitens verstümmelte der deutsche Verleih viele Szenen, welche die eigentliche Story von „Sound of Music“ erzählten: Die Trapp Family war 1938 vor den Nazis aus Salzburg geflüchtet und arbeitete sich in den USA empor zu einem berühmten Kinder-Chor.

Hochzeitsmenü à la Sound of Music

Diese Filme stilisieren den Baron von Trapp und seine Maria zum idealen Paar. Und vor allem die Panorama-Aufnahmen in „Sound Of Music“ zeigen das Salzburger Land als geeigneten Aufenthaltsort für glücklich Vermählte. Deshalb geben amerikanische und asiatische Brautleute ihr Ja-Wort so gerne in Salzburg. Und wenn schon, denn schon im schönsten Trauzimmer der Welt – und zwar im Schloss Mirabell. Und für das Hochzeitsfoto posieren die frisch Getrauten im Mirabellgarten vor dem Pegasus-Brunnen mit dem geflügelten Pferd.

Österreich - Salzburg - Pegasus-Brunnen im Schloss Mirabell

Im Anschluss an diese Zeremonie genießen viele Amerikaner ein Original Sound-of-Music-Dinner mit – man wagt es kaum auszusprechen – Schnitzel, Spaghetti und Ketchup. Japanische Brautpaare bevorzugen die abgewandelte Version mit Fisch. Die Schuld an diesem barbarischen Brauch trägt das Songwriter-Team Richard Rodgers und Oscar Hammerstein. Für das Lied „My Favourite Things“ legten die beiden Schöpfer von „Sound of Music“ der Maria Trapp bei der Aufzählung ihrer Lieblingsspeisen in den Mund: „Schnitzel with noodles”. Denn das reimt sich so schön auf knusprigen Apfelstrudel: „crisp apple strudels”.

M“ wie Mozart?

Derartige Geschmacksverirrungen à la USA lassen sich die Salzburger nicht mehr gefallen. Sie achten zum Beispiel darauf, dass keine stilistisch unpassende Werbung das UNESCO-geschützte Erscheinungsbild ihrer Altstadt verschandelt. Eine weltweit bekannte Fastfood-Kette, deren Firmenname mit dem Buchstaben „M“ beginnt, ordnet sich diesen Vorgaben gerne unter. Als der amerikanische Bulletten-Brater ein paar Schritte von Mozarts Geburtshaus entfernt sein Schnellrestaurant eröffnete, hängte er ein kunstvoll geschmiedetes Reklameschild vor die Eingangstür. Ein Schelm, wer dabei nicht an „M“-ozart denkt.

Österreich - Salzburg - Schild

Authentischer ist jene Mozart-Hommage, die jeden Abend im Barocksaal vom Stiftskeller St. Peter präsentiert wird. Beim „Mozart Dinner-Concert“ spielen dort die Musiker in Rokoko-Kostümen „Zauberflöte“-Hits und andere Opern-Melodien von Wolfgang Amadeus. Die Sopranistin und ihr Bariton-Kollege schmettern diese Arien nicht von oben herab auf das Publikum hinunter, sondern sie arbeiten ganz nah dran an den Tischen ihrer Zuhörer. Hier isst also nicht nur das Auge mit, sondern auch das Ohr.

Näher als bei diesen Schlemmereien können Musikfreunde dem Genussmenschen Mozart also kaum noch kommen. Hier im ältesten Restaurant Mitteleuropas, das 803 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde, speiste auch Wolfgang Amadeus. Die Menüfolge zu seinen Ehren orientiert sich an den Rezepten und damals verfügbaren Zutaten der Mozart-Epoche: Weißes Lemoni-Supperl (Lemoni: Zitrone) mit Rosmarin-Topfenknöderl (Topfen: Quark), Brust vom gebratenen Capaun (Geflügel), zum Dessert halbgefrorenes Waldhonig-Parfait. Auch wenn es vielleicht nicht original ist, so schmeckt es für unseren heutigen Geschmack auf jeden Fall köstlich originell.

Österreich - Salzburg - Musiker

In der Garderobe vor dem nächsten Auftritt: Mozart Dinner Concert

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

Suchen bei schwarzaufweiss


Kurzportrait Österreich

Immer ein Jodeln auf den Lippen, die stämmigen Waden in kniekurzen Lederhosen zur Schau gestellt, forschen Schrittes die Alm überquerend - so ähnlich stellt man sich jenseits der Alpen die Österreicher oft vor. Man findet solche Klischees natürlich auch in der Wirklichkeit, aber nicht alle auf einen Haufen und vielerorts aus Marketinggründen gehegt und gepflegt. Genauso wenig wie alle Bewohner der Nordseeküste pfeifenrauchende Seebären sind, sind alle Österreicher trachtentragende Bergfexe. In Österreich ist die Zeit nicht stehen geblieben, das Land ist ein moderner Kleinstaat, seit der Öffnung des Ostens wieder ins Herz Europas gerückt.

Österreich - Salzkammergut

Mehr lesen ...

Die 10-Seen-Radtour zwischen Salzburger Land und Salzkammergut

Flachlandtiroler seien gewarnt, denn wellige Kuppen mit lang gezogenen Anstiegen erfordern ein gewisses Stehvermögen. Salzburg mit der Hohensalzburg ist Ausgangs- und Endpunkt der Tour – und das Weltkulturerbe sollte man nicht nur bei einem nachmittäglichen Bummel durch die Gassen des „bürgerlichen“ und des „geistlichen Salzburg“ genießen.

Salzkammergut per Rad

Mehr lesen ...

Auf den Spuren Friedensreich Hundertwassers zwischen Wien und Graz

„An einem Regentag beginnen die Farben zu leuchten“, so lautete das Motto des österreichischen Künstlers Friedensreich Hundertwasser. Heute regnet es nicht, sondern die vergoldeten Kugeln, die die blauen Säulen der lilafarbenen MS Vindobona zieren, glitzern prachtvoll in der Sonne. 1995 wurde das mittlerweile 30 Jahre alte Fahrgastschiff nach den Vorschlägen Hundertwassers umgestaltet und lädt seit dem zu Fahrten auf der Donau und im Donaukanal rund um Wien ein.

Hundertwasser in Wien und Graz

Mehr lesen ...

Reiseführer Linz

Italienische Baumeister waren es, die im 17. und 18. Jahrhundert die zahlreichen Kirchen der Stadt Linz entwarfen, darunter auch Pietro Francesco Carlone, dem der Alte Dom zu verdanken ist. Hier war der Komponist Anton Bruckner mehr als ein Jahrzehnt lang als Domorganist tätig. Diesem berühmten Sohn der Stadt war ursprünglich das alljährlich im September/Oktober stattfindende Brucknerfest gewidmet, das sich unterdessen nicht mehr ausschließlich dem Erbe Bruckners verschrieben hat.

Reiseführer Linz

Mehr lesen ...