Von der Olympiasiegerin zur Kräuterhexe

Winterzauber in Tirol

Text und Fotos: Markus Howest

In Tirol ist das Leben ein bisschen anders. Vieles ist möglich, weil es die Region einfach hergibt: Die Berge, die Natur - aber was daraus entsteht, geht auf die Ideen und die Tatkraft der Menschen zurück. Beispiele hierfür gibt es allein im Lechtal mehr als genug.

Österreich - Tirol - Auf der Sonnalm

Auf der Sonnalm

Sie war 1988 dabei, Olympische Winterspiele im kanadischen Calgary. Und holte die Goldmedaille für Österreich - im Super-G. Zum ersten Mal überhaupt, denn zuvor hatte es diese Disziplin bei Olympia noch gar nicht gegeben. Die Rede ist von Sigrid Wolf, der gebürtigen Lechtalerin. Heute ist sie Kräuterhexe, oder besser Kräuterpädagogin, wie es offiziell heißt. Mehr als 25 Jahre nach ihrem sportlichen Triumph führt sie nun Wandergruppen durch die üppige Kräuterlandschaft ihrer Heimat. Vom Rotklee über Meisterwurz und Holunder bis hin zu Brennnessel und Wacholder ist alles dabei.

Doch die Ex-Skiathletin zeigt nicht nur, wie die Pflanzen aussehen, sie demonstriert auch ihre Wirkung: Dazu veranstaltet sie mit ihren Gästen Leibesübungen am Wegesrand, streckt die Wirbelsäule, dehnt die Achillesferse oder hält einbeinig die Balance. Dass die Kräuter auch in Form von Schnaps und Tee wirken, weiß jeder. Doch Sigrid Wolf hilft mit einer Tee-Sitzung am Ende der Tour nach, bei der jeder seine ganz persönliche Mischung zusammenstellen kann. Für Olympiasiegerin Wolf sind die Kräuter mehr als ein wohlschmeckendes Naturprodukt. Denn seit Quecksilber, das in ihrem Blutbild nachgewiesen wurde, dank der Kräuter vollständig aus ihrem Körper verbannt werden konnte, schwört sie auf ihre Heilkraft. „Das hat mich vollends überzeugt“, bestätigt die Lechtalerin.

Der ehemalige Ski-Champion ist Teil des Projektes „Winterzauber“, zu dem sich zehn Tiroler Regionen zusammengeschlossen haben, darunter auch Lechtal-Reutte. Verschiedene Aktivitäten und Angebote von Einzelpersonen, Unternehmen oder Produzenten sind Bestandteil eines Programms, das Alternativen bietet für all diejenigen, die nicht nur auf der Skipiste ihren Spaß haben wollen. „Sanfte Wintererlebnisse“, die mehr von einer Region zeigen und so tiefere Einblicke in Tradition und Lebensart vermitteln will. Dazu gehören etwa der Besuch einer Schnapsbrennerei, einer Käsesennerei oder der Holzbrillenmanufaktur.

Österreich - Tirol - Marion Haider von der Schnapsbrennerei Haussegen

Marion Haider von der Schnapsbrennerei Haussegen

Holzbrille? Ja, sie entstammt aus der Ideenschmiede von „Rolf Spectacles" und ist mittlerweile zu einem internationalen Fashion-Produkt avanciert, das in mehr als 48 Länder weltweit exportiert wird - obwohl die Idee erst im Jahr 2009 Gestalt annahm. Firmengründer Roland Wolf war auf der Suche nach einem Produkt, „das es bis dahin noch nicht gab“, erklärt der gelernte Optiker. Brillen aus Holz, reinem Büffelhorn oder Steinwood, kurzum ein Nischenprodukt. Vom Rohstoff bis zur Fertigung jedes Einzelteils fertigen die 50 Mitarbeiter die edlen Gestelle in feiner Präzisionsarbeit in einer alten Werkshalle in Weissenbach. Auf Dienstleister und Zulieferer verzichten sie, selbst die Fotos fürs Marketing produziere sie eigenhändig - so will es ihre Vision.

Bei einem Rundgang durch die Werkstätten erzählt Roland Wolf mit glühenden Augen von den schwierigen Anfängen und gibt kleine Geheimnissen der Fertigung preis. „Ich will beim Kunden ein Bewusstsein für das Produkt und die Region schaffen", erklärt der 36-Jährige. Er ist ein Tüftler mit Haut und Haar, der sich besonders für alte Maschinen begeistert. Diese werden im Rahmen seinen nachhaltigen Konzeptes für die Produktion wiederverwendet. So wurden kurzerhand eine alte Melkmaschine und eine Mopedbremse neues Leben eingehaucht. Wer eine dieser preisgekrönten und hochwertigen Brillen testet, möchte sie am liebsten gleich auf der Nase behalten. So wie Fussball-Trainer Felix Magath oder Konstantin Wecker, die treue Kunden der Manufaktur sind, wie der Inhaber stolz verkündet. Ihr Bewusstsein hat Wolf bereits geweckt.

Bewusstsein für die besonderen Spielarten der Natur weckt hingegen eine Tierspurenwanderung auf die Dürrenberg Alm in knapp 1438 Meter Höhe. Naturführer, Jäger und Ur-Lechtaler Walter Stoll versprüht gleich zum Start reichlich Leidenschaft, die sich sofort auf die Teilnehmer überträgt. „Der Schnee wird langsam trockener“ beobachtet er die herunter rieselnden Flocken mit seinem Gespür für Schnee. Seine Augen haben schon vieles gesehen, von Lawinenabgängen bis hin zu Extrem-Bergtouren im Himalaya. Geduldig legt er die Schneeschuhe bei jedem einzelnen Wanderer an, erklärt die beste Schritttechnik und rät zu einem langsamen gemächlichen Laufstil. Denn „die meisten Unfälle passieren durch Überforderung des Körpers“ weiß der 68-jährige.

Jeder hat ihn irgendwann gefunden, seinen idealen Rhythmus. Der Schnee rieselt leise und unaufhörlich, die Landschaft wird immer bizarrer, ab und an schaltet sich Stoll ein, erkennt eine Hirschspur oder einen Fuchspfad und gibt spannende Anekdoten zum besten. Nach gut zwei Stunden und rund 600 Höhenmetern ist es geschafft. Die Hütte lockt wie eine Oase der Wärme und des Wohlbefindens. Dazu tragen auch die vorzüglichen Käsespätzle bei, die frisch von der Hüttenwirtin in großen gusseisernen Pfannen kredenzt werden. Ein passender Rahmen für Geschichten, die Walter Stoll so gerne zum besten gibt. Er will seine Gästen aus den Städten mit seiner Begeisterung für die Natur anstecken. Es gelingt ihm von Minute zu Minute mehr. Daran hat wohl auch sein einzigartiger Humor großen Anteil und jene Herzlichkeit, die den Tirolern eigen ist.

Österreich - Tirol - Burg Ehrenberg

Blick auf Burg Ehrenberg

Nach mehr als zwei Stunden in der Hütte am warmen Ofen kostet es Kraft, sich für den Abstieg aufzuraffen. Doch ist der Rhythmus erst einmal gefunden, läuft es sich wie im Traum. Der Traum einer märchenhaft verschneiten Winterlandschaft, fernab jeder Zivilisation.

Österreich - Tirol - Hängebrücke highline 179

Hängebrücke "highline 179"

Auch am nächsten Morgen scheint der Traum weiterzugehen. Aus der Ferne sieht man sie - die „highline 179“, jene längste Seilhängebrücke der Welt im Tibet-Style. Geradezu märchenhaft, wie die Wolken langsam die oben liegende Ruine Ehrenberg frei geben und den Blick auf die Hängebrücke gewähren. Tirol ist eben ein bisschen anders.

Reiseinformationen

Weitere Informationen

www.tirol.at/winterzauber

Lechtal Tourismus: www.lechtal.at

TVB Naturparkregion Reutte: www.reutte.com

Unterkunft

Hotel Post in Steeg, www.poststeeg.at

Sonnalm Jöchelspitze auf 1800 Meter Höhe, www.jöchelspitze.at

Alpenhotel Ernberg, www.ernberg.at

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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