Text und Fotos: Dagmar Krappe
„Advent wie damals“, verspricht man rund um den Wolfgangsee. In den drei Orten St. Wolfgang, St. Gilgen und Strobl wird die Vorweihnachtszeit mit viel Brauchtum und wenig Kitsch gefeiert.
Hinter der hellbraunen Holzhütte stehen sie, die drei „Trüfi Weiba“, die Tratschweiber, und beobachten die Hirten und Gabenträger wie sie zum Stall ziehen. Da kommen der Müller, der Jäger, der Mann mit der Wiege und der mit dem Leinentuch. Wieder andere bringen Früchte und Feuerholz. „Die Salzkammergutkrippe zeigt nicht nur die heilige Familie und die drei Weisen aus dem Morgenland, sondern viele andere Menschen mit meist handwerklichen Berufen und Wildtiere“, erklärt Matthäus Mayrhauser. 60 lebensgroße Figuren habe er in den vergangenen sechs Jahren geschnitzt. 100 sollen es insgesamt werden. So viele hätten durchaus Platz im Pfarrgarten von St. Wolfgang. 2006 bekam der Holzbildhauermeister vom örtlichen Marktverein den Auftrag, Salzkammergutfiguren für den Wolfgangseer Advent anzufertigen. Seitdem sägt und hobelt der 49-Jährige mindestens sechs Monate im Jahr und lässt viel Späne fallen. „Vier Wochen benötige ich für eine Erwachsenen-Figur. Kinder und Tiere dauern zirka vierzehn Tage.“ Auch die über zwei Meter hohen Engel an den beiden Eingangstoren zum Adventmarkt stammen aus seiner Werkstatt. Da Fichten die vorrangigen Bäume der Region sind, verwendet Mayrhauser Fichtenholz: „Normalerweise entsteht eine Skulptur komplett aus einem Stamm. Nur wenn sie sehr dick ist, muss ich zusätzlich mal eine Hand oder einen Fuß anleimen oder -nageln.“
Die Adventsmärkte am Wolfgangsee haben keine lange Tradition. Alles begann im Jahr 2003. „Bis dahin herrschte ab Ende Oktober, sobald der letzte Badegast oder Wanderer abgereist war, tote Hose rund um den See“, sagt Fritz Gandl, Obmann des Marktvereins St. Wolfgang: „Da musste etwas geschehen, denn schließlich leben wir in einem ehemaligen Pilgerort.“ Vor ungefähr einem Jahrtausend entschied sich der Regensburger Bischof Wolfgang für ein Leben als Einsiedler im Salzkammergut. Auf der Suche nach einem geeigneten Platz für eine Kirche kam ihm der Teufel in die Quere. So die Legende. Er löste einen Felssturz am Schafberg aus, um den Bischof zu töten. Wolfgang stemmte sich gegen den Fels. Das Gestein gab nach wie Wachs. Als Dank schleuderte er seine Axt weit von sich und gelobte, dort eine Kirche zu errichten, wo er das Beil wieder findet. Viele Jahrhunderte lang pilgerten daraufhin Menschen nach St. Wolfgang.
Seit einigen Jahren pilgern sie wieder. Zu den Adventsveranstaltungen rund um den gleichnamigen See. „Wir hatten die Idee, einen Markt ohne Kitsch und Plunder, sondern nur mit handwerklichen und kulinarischen Waren aus der Region auf die Beine zu stellen“, meint Gandl. Räuchernde Bratwurstbuden sind verpönt. Stattdessen gibt es originelle Suppen in Brotteig, Schmalzbrote, Wildspezialitäten, Kaiserschmarrn, Früchtebrot, handgeschöpfte Schokoladen, Maronen und Punsch in diversen Geschmacksrichtungen. „Wir möchten keinen Weihnachtsmann mit blinkender Mütze und kein Jingle-Bells- oder Last-Christmas-Gedudel. Bei uns kommt das Christkind – meist unsichtbar.“ Das Konzept gefiel den Nachbargemeinden. Im Folgejahr machte St. Gilgen mit. 2005 folgte Strobl. Rund 120 Holzbuden verteilen sich im Zentrum der drei Orte, von denen jeder ein eigenes Motto pflegt.
Romantisch gibt man sich in St. Wolfgang (1). Das Wahrzeichen ist die fast 20 Meter hohe See-Laterne als Friedenslicht direkt vor dem legendären Hotel „Im Weißen Rössl“. Der Markt punktet mit fast 300 Christbäumen, unzähligen Fackelständern und Feuerwannen zum Aufwärmen und der jährlich wachsenden Salzkammergutkrippe im Pfarrhausgarten.
Der höchstgelegene Punsch-Stand ist ein Eisenbahnwaggon auf 1.000 Metern Höhe auf dem Schafberg. Bis hierher lässt Lokführer Robert Pilz mehrmals am Tag die 120 Jahre alte Zahnradbahn schnaufen. „Im Winter fahren wir mit neueren Dampfloks. Aber wir haben auch kohlebefeuerte Schweizer Loks aus den Gründungsjahren, die in den Sommermonaten den Berg hinauf tuckern.“ Die heutige rotschwarze Lok, die im dichten Schneetreiben zwei mit Tannenzweigen und roten Kugeln geschmückte Personenwaggons den Berg hinaufschiebt, wurde 1995 in Winterthur in der Schweiz gebaut.
Das Entspannende am Wolfgangseer Advent ist, dass alle drei Märkte zu Fuß zu erreichen sind. Man besteigt einfach ein Fahrgastschiff der Wolfgangsee-Schifffahrt und lässt sich über den 13 Quadratkilometer großen See zum nächsten Dorf treiben. Zwei 140 Jahre alte Dampfer namens Kaiser Franz Josef I. und Kaiserin Elisabeth sind im Wechsel mit vier modernen Ausflugsbooten im Einsatz. Im Mozartdorf St. Gilgen (2) leuchtet eine zwölf Meter hohe, rotgoldene Kerze am Anleger. Diese elektrischen Fiberglas-Leuchten sind in allen Größen über den Ort verteilt. Thronen auf Straßenlaternen und sind natürlich auch auf dem Adventsmarkt erhältlich. Die über 30 Holzbuden tragen inzwischen dicke weiße Wattebäusche, denn es schneit unaufhörlich an diesem Dezembermorgen. Verziert sind sie mit barocken Engel-, Menschen- und Tier-Motiven der Wiener Künstlerin Raja Schwahn-Reichmann. Zwar bezeichnet sich St. Gilgen als Mozartdorf. Ob der berühmte Salzburger jemals das Geburtshaus seiner Mutter besuchte, ist nicht überliefert.
Gleich hinter dem Ischler Lebkuchen-Stand hat Sigmund Rieger sein Reich mit Hochprozentigem aufgebaut. Vor drei Jahren machte sich der 31-Jährige mit seiner Brennerei Primushäusl selbständig. Edle Brände von Apfel, Birne, Quitte, Holunder-, Vogel- und Schwarzer Johannesbeere, Kokos- und Schoko-Chili-Likör prangen in unterschiedlichen Flaschengrößen auf den Regalen. Handgearbeitete Wolldecken, Mützen, Filzschuhe, Seifen, Honig, Salze, Gewürze und originelle Ausstechformen für Weihnachtsgebäck sind die Angebote an den anderen Ständen rund um den Mozartplatz.
Mit der 1873 gebauten „Kaiserin Elisabeth“ geht es quer über den See nach Strobl (3). Dicke Nebelschwaden umwabern die bepuderten Berge am Ufer. Graue Wolken rollen sich immer tiefer von den Bergspitzen ins Tal. Der Schnee geht allmählich in Regen über. Von weitem leuchten ein sechs Meter langer Komet über dem Eingang zum Markt und Schattenfiguren, die die schwimmende Punschhütte am Anleger umranken. Strobl hat sich den Titel Krippendorf gegeben. Ausgehöhlte Baumstämme mit biblischen Motiven verschönern die Straßen. Im Gemeindesaal werden über 30 historische Salzkammergutkrippen gezeigt. Eine gigantische unbemalte Naturholz-Krippe steht in der Nähe des Seeufers. Ebenfalls ein Werk des Bildhauers Matthäus Mayrhauser. Maria und Josef beugen sich über eine leere Wiege? „Das Jesuskind wird doch erst Weihnachten geboren, erst dann kommt es dazu“, sagt der Schnitzer. Sie halten viel von Tradition, die Menschen rund um den Wolfgangsee.
Suchen bei schwarzaufweiss
Immer ein Jodeln auf den Lippen, die stämmigen Waden in kniekurzen Lederhosen zur Schau gestellt, forschen Schrittes die Alm überquerend - so ähnlich stellt man sich jenseits der Alpen die Österreicher oft vor. Man findet solche Klischees natürlich auch in der Wirklichkeit, aber nicht alle auf einen Haufen und vielerorts aus Marketinggründen gehegt und gepflegt. Genauso wenig wie alle Bewohner der Nordseeküste pfeifenrauchende Seebären sind, sind alle Österreicher trachtentragende Bergfexe. In Österreich ist die Zeit nicht stehen geblieben, das Land ist ein moderner Kleinstaat, seit der Öffnung des Ostens wieder ins Herz Europas gerückt.
Mehr lesen ...
Flachlandtiroler seien gewarnt, denn wellige Kuppen mit lang gezogenen Anstiegen erfordern ein gewisses Stehvermögen. Salzburg mit der Hohensalzburg ist Ausgangs- und Endpunkt der Tour – und das Weltkulturerbe sollte man nicht nur bei einem nachmittäglichen Bummel durch die Gassen des „bürgerlichen“ und des „geistlichen Salzburg“ genießen.
Mehr lesen ...
„An einem Regentag beginnen die Farben zu leuchten“, so lautete das Motto des österreichischen Künstlers Friedensreich Hundertwasser. Heute regnet es nicht, sondern die vergoldeten Kugeln, die die blauen Säulen der lilafarbenen MS Vindobona zieren, glitzern prachtvoll in der Sonne. 1995 wurde das mittlerweile 30 Jahre alte Fahrgastschiff nach den Vorschlägen Hundertwassers umgestaltet und lädt seit dem zu Fahrten auf der Donau und im Donaukanal rund um Wien ein.
Mehr lesen ...
Italienische Baumeister waren es, die im 17. und 18. Jahrhundert die zahlreichen Kirchen der Stadt Linz entwarfen, darunter auch Pietro Francesco Carlone, dem der Alte Dom zu verdanken ist. Hier war der Komponist Anton Bruckner mehr als ein Jahrzehnt lang als Domorganist tätig. Diesem berühmten Sohn der Stadt war ursprünglich das alljährlich im September/Oktober stattfindende Brucknerfest gewidmet, das sich unterdessen nicht mehr ausschließlich dem Erbe Bruckners verschrieben hat.
Mehr lesen ...