Auf alten Hansepfaden durch die Altmark

Text: Dagmar Krappe
Fotos: Axel Baumann

Nicht nur an der Küste gibt es Hansestädte. Acht Orte in Sachsen-Anhalt haben sich zum Altmärkischen Hansebund zusammengeschlossen.

Altmark - Blick auf die Hansestadt Havelberg

Blick auf die Hansestadt Havelberg

Wer das Wort Hansestadt hört, der denkt an Hamburg, Bremen und Lübeck. Vielleicht noch an Wismar, Rostock, Stralsund oder Greifswald. Immerhin tragen diese sieben Städte, das „H“ für Hanse auch im Autokennzeichen. „Doch Hansestädte gibt es nicht nur an der Küste“, erklärt Hansekaufmann Hagen von Allemann, während er sein Kanu besteigt, um damit eine Paddeltour um die vier Inseln der Hansestadt Havelberg (1) zu machen: „1980 wurde im holländischen Zwolle die „neue“ Hanse oder der Städtebund „Die Hanse“ gegründet. Alle ehemaligen Hansestädte des Mittelalters können Mitglied werden. Zur Zeit sind es um die 175 Orte.“ Ein Hansekaufmann im Kanu hätte vor 600 Jahren sicherlich das Gelächter der Kaufleute auf sich gezogen. In der „Neuzeit“ sieht das anders aus, denn im wirklichen Leben ist Hagen von Allemann Stadtführer und heißt Detlef Tusk. Und Ziel der „neuen“ Hanse ist neben dem Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen die Förderung des Tourismus, um das historische Erbe der Hansezeit erlebbar zu machen. „1998 schlossen sich die Prignitzstadt Havelberg und die sieben Kleinstädte Gardelegen, Osterburg, Salzwedel, Seehausen, Stendal, Tangermünde und Werben im Norden Sachsen-Anhalts zum Altmärkischen Hansebund zusammen“, berichtet von Allemann, während er seinen Kanadier zwischen Altstadt- und Spülinsel gegen den Wind manövriert.

Die Blütezeit der Hanse erstreckt sich vom 13. bis zum 16. Jahrhundert. Die organisierten Städte beherrschten einen Großteil des nordeuropäischen Fernhandels, was ihnen Wohlstand und Ansehen brachte. 1488 entfachte ein Bierziesekrieg. Aufgrund einer zusätzlichen Biersteuer erhoben sich die Orte gegen den Kurfürsten Johann Cicero. „Er zwang sie nieder und forderte ihren Austritt aus der Hanse“, sagt von Allemann: „Nur Stendal und Salzwedel blieben noch bis 1518 im Hansebund. Havelberg sogar noch 30 Jahre länger.“ 1669 fand in Lübeck der letzte Hansetag statt. Heute ist der Lübecker Bürgermeister der Vormann der „neuen“ Hanse.

Altmark - achteckige Hochzeitskapelle St. Annen in Havelberg

Achteckige Hochzeitskapelle St. Annen

Viel ist aus der damaligen Zeit auf der Altstadtinsel nicht übrig geblieben. Immer wieder wurde die Stadt Opfer von Bränden. Ganze vier Gebäude wie die Stadtkirche St. Laurentius, das Beguinenhaus am Salzmarkt oder die achteckige Hochzeitskapelle St. Annen stammen noch aus dem 14. Jahrhundert. Außerhalb der Stadtmauer thront der romanische Dom St. Marien, der bereits vor der Hansezeit errichtet wurde. Klassizistische und Fachwerk-Bauten prägen heute das Gesicht der Stadt, die touristengünstig am Elberadweg liegt. Für den mittelalterlichen Handel waren Elbe und Havel von großem Nutzen. „Havelbergs Wohlstand beruhte besonders auf Getreide- und Holzhandel, Schiffbau und Fischerei“, meint der Hansekaufmann: „Die Fischereiinnung Havelbergs besaß das alleinige Verkaufsrecht für Flusskrebse und Fische auf den Märkten zwischen Hamburg und Berlin.“

Neben der Elbe führten acht Haupthandelswege durch die Altmark, die die einzelnen Orte miteinander verbanden. Wo früher die Fuhrwerke zuckelten, können heute Rad- und Autofahrer die historischen Pfade befahren. Größtenteils liegen sie abseits der Bundes- und Landesstraßen. Der Tourismusverband Altmark hat diesen Wegen Namen gegeben, die entweder einen Bezug zur Hanse oder zu Landschaft und Orten haben, durch die die Wege führen. Ausgeschildert als Hansewege sind sie nicht, aber mit der entsprechenden Beschreibung trotzdem gut zu finden. Hin und wieder verläuft auf ihnen auch die Straße der Romanik oder die Deutsche Fachwerkstraße.

Altmark - Elbtor in Werben

Das Elbtor in Werben

Von Havelberg geht es mit einer Gierseilfähre auf die andere Elbseite. Werben (2) wirbt mit dem Slogan, mit 800 Einwohnern kleinste Hansestadt der Welt zu sein. Aus der Zeit der florierenden Hanse stammen die Stadtkirche St. Johannis und die kleine Salzkirche, die zu Hansezeiten als Salzdepot diente. Von den ursprünglich vier Stadttoren ist noch das Elbtor erhalten, von dessen Rundturm man direkt in mehrere der 20 Storchennester des Ortes blicken kann. Im Dreißigjährigen Krieg hielt Schwedenkönig Gustav II. Adolf Einzug. Er konnte die kaiserliche Armee des Feldherrn Tilly erfolgreich abwehren. Zurück blieb eine Stadt in Schutt und Asche. Erst im 18. und 19. Jahrhundert wurde Werben wieder aufgebaut. Zahlreiche Fachwerkhäuser stammen aus der Biedermeierzeit und stehen heute leer. „Weshalb sich der Arbeitskreis Werbener Altstadt gründete“, berichtet Mitglied Frank Gellerich: „Mit unseren Aktionen rund um die Biedermeier-Zeit konnten wir auf Werben aufmerksam machen und haben einige Investoren in die Stadt geholt, aber aus Werben kann noch mehr werden.“

Altmark - Roland-Figur in Stendal

Roland-Figur in Stendal

Über Seehausen und Osterburg führt der Vier-Flüsse-Weg Richtung Stendal (3), mit 35.000 Einwohnern mit Abstand die größte der acht Hansestädte. Tuchmacher- und Gewandschneider brachten einst den Wohlstand in die heutige Kreisstadt. Vor dem Rathaus steht der drittgrößte Roland Deutschlands. Die Roland-Figur symbolisierte im Mittelalter die Eigenständigkeit einer Stadt mit Marktrecht und Gerichtsbarkeit.

Der Hohlweg Rossfurt mit Elbtor

Auf dem Tuchweg erreicht man nach wenigen Kilometern die mittelalterlich best erhaltene und quirligste der acht Hansestädte: Tangermünde (4). Kaiser Karl IV. regierte im 14. Jahrhundert große Teile Europas von Prag aus. Er ließ die Tangermünder Burg, den ältesten Teil der Stadt, zu seiner Nebenresidenz ausbauen. Von der Elbseite aus gesehen wirkt die um 1300 errichtete Stadtmauer besonders wuchtig. 1617 fielen 486 Wohnhäuser und 52 Scheunen einer Brandstiftung zum Opfer. Das Schicksal der zündelnden Tangermünderin Grete Minde nahm Theodor Fontane als Vorlage für seine 1879 erschienene gleichnamige Novelle. Erst zum 390. Todestag wurde Grete Minde, die vielleicht auch ein Justizopfer war, vor dem Tangermünder Rathaus ein Denkmal gesetzt.

Altmark - Tangermünder Rathaus

Tangermünder Rathaus

Am Hopfenweg liegt Gardelegen (5). Wo bis Anfang des 20. Jahrhunderts der Hopfen wuchs, wehen heute Gerstenhalme und zarte Zuckerrübenpflanzen auf riesigen Feldern im Wind. Auch in Gardelegen wacht ein Roland vor dem Rathaus, das 1212 als Kauf- und Schauhaus erbaut wurde. Garley-Bier war das Gold der Stadt zur Hansezeit. „Kurz vor dem 30-jährigen Krieg gab es 260 Brauereien in Gardelegen“, erzählt Stadtführer Rupert Kaiser: „1698 besuchte Zar Peter der Große Gardelegen, da er wegen des Schiffbaus in Havelberg weilte. Er war so begeistert von unserem Bier, dass er zwei Gardelegener Brauer mit nach Russland nahm.“ Auf Garley-Bier muss auch im 21. Jahrhundert kein Besucher des Ortes verzichten. Das Café am Rathaus am dreieckigen Marktplatz wartet mit verschiedenen Sorten auf.

Altmark - Gardelegen - Salzwedeler Tor mit Torwächter

Salzwedeler Tor mit Torwächter in Gardelegen

Die letzte Station am Hopfenweg ist Salzwedel (6). Großflächige Felder, Alleen, ehemalige „Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften“ prägen wieder die Landschaft zwischen den Städten. Der Name Salzwedel weist darauf hin, dass Salz über eine Furt („Saltwidele“) befördert wurde. Über den Fluss Jeetze hatte die Stadt Anschluss an die alte Salzstraße von Lüneburg nach Magdeburg. Gotische Backsteinkirchen, wie St. Marien und St. Katharinen, Reste von Befestigungsanlagen, zwei Stadttore, Speicherhäuser sind auch hier Zeugnisse der Hansezeit. Erst 290 Jahre nachdem Salzwedel „verhanst“, also aus der Hanse ausgeschlossen wurde, erfand Bäckermeister Johann Schernikow ein Produkt, das nicht mit Salz, sondern mit Zucker zu tun hat: den Baumkuchen. 1808 gründete er seine „Conditorei- und Baumkuchen-Fabrikation“. In der Ersten Salzwedeler Baumkuchenfabrik zeigt heute Konditor Maik Suske wie ein Baumkuchen entsteht: Vor einer offener Gasflamme dreht sich eine Walze über die er in regelmäßigen Abständen Teigmasse gießt. Innerhalb von 20 Minuten produziert der Konditor einen Kuchen mit acht bis zehn Jahresringen. Nach dem Abkühlen überzieht er die Delikatesse mit Fondant, weißer, Vollmilch- oder Zartbitterschokolade. Somit gibt es auch zur Zeit der „neuen“ Hanse ein Handelsgut, das Hagen von Allemann sicherlich all zu gerne verkauft hätte.

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