Text und Fotos: Markus Howest
Der Mekong verästelt sich in seinem Delta in ein Meer von Flussarmen und Kanälen – das Boot wird zum wichtigsten Verkehrsmittel und die Märkte beginnen zu schwimmen. Besuch in einem der fruchtbarsten Regionen des Landes.
Schwimmende Märkte auf dem Mekong
Endlos lang zieht sich die Ausfallstraße von Ho Chi Minh City nach Südwesten Richtung Mekongdelta. Erst reiht sich Haus an Haus, dann folgen Fabriken, Unternehmenssitze, Lagerhallen – kilometerlang. „Vor zehn Jahren gab es hier nichts als Land“, erzählt uns Nguyen Tien Dung, der sympathische Reiseleiter mit DDR-Vergangenheit. Erst nach gut einer Stunde gibt der Ballungsraum Saigon langsam Ruhe, vereinzelt gleiten Schulmädchen in ihren eleganten weißen Seidenuniformen auf Fahrrädern vorbei, Männer transportieren Türen und Glasscheiben auf Mopeds. Die Landschaft verändert sich, nimmt ihre typischen Züge an: Mango und Guaven, Rosenäpfel, Bananen, Kokospalmen und Reisfelder wechseln einander ab. Immer wieder Reisfelder. Sie breiten sich links und rechts der Nationalstraße 1 wie saftige grüne Wiesen aus. Überall lugen Reishüte aus dem Feld, meist Großfamilien, die vom Reisanbau leben. „Der Reis wächst schnell, bis zu drei Reisernten im Jahr sind möglich und Überschwemmungen begünstigen sein Wachstum“, informiert uns Dung. Für die Ernte brauche man etwa 100 Tage. Jährlich werden landesweit fünf Millionen Tonnen Reis exportiet, damit rangiere man nach Thailand weltweit an zweiter Stelle.
Vom Bus aufs Boot
Kleinhändler auf dem Mekong
In der Uferstadt Vinh Long wechseln wir vom Bus aufs Boot und tauchen ein in ein unübersehbares Netz von Flüsschen und Flüssen, die das Mekongdelta durchkreuzen. Nach seiner über 4500 Kilometer langen Reise durch China, Burma, Laos und Kambodscha ist der Mekong die Lebensader der indochinesischen Halbinsel. „Von den Franzosen sind die künstlichen Wasserstraßen eigens für den Transport gebaut worden“, klärt Dung auf. Vorbei an Hütten auf Pfählen und Stelzen, vor denen Frauen kochen und waschen, einer alten Werftanlage, einer katholischen Kirche, kommen uns zumeist einmotorige Boote entgegen, in der Regel zu zweit besetzt – vorne die Frau mit Mundschutz und Reishut, hinten der Mann am Ruder. Sie transportieren Säcke mit Reis, Gemüse und Früchten aller Art. Meist kleine Händler, die von den Schwimmenden Märkten kommen, wo sie ihre Ware einkaufen. „Sie versorgen Orte, die man nur per Boot erreichen kann“, sagt der 54-jährige Dung. Und davon gibt es eine ganze Menge, der Verkehr im Delta ist rege. Rund 16 Millionen Menschen leben in der Region auf einer Fläche so groß wie die Niederlande, davon sind etwa 90 Prozent Bauern. Seit dem Einzug der Privatwirtschaft haben sie ein Recht auf Eigenanbau. Der Schlüssel sei die Pro-Kopf-Verteilung, meint Dung. „Je größer die Familie, umso mehr Land steht ihnen zu.“
Herr Tam Ho auf der Insel An Binh
Land, das Herr Tam Ho, der ehemalige Vietcong mit Ho-Chi-Minh-Bärtchen, für den Bau einer Pension für Reisende und einer Baumschule auf der kleinen Insel An Binh genutzt hat. Ein winziger Pfad führt von der Anlegestelle vorbei an blühenden Pflanzen in einen üppigen Garten. Gleich zu Beginn empfangen uns die stark glänzenden gelappten, bis zu ein Meter langen Blätter eines Brotfruchtbaums mit ihren mehrere Kilo schweren Früchten, es folgen Manioksträucher und ein Jackfruchtbaum, dessen Frucht zu den größten überhaupt gehört und bis zu 50 Kilogramm schwer werden kann.
Unter einem mit Palmenzweigen verzierten Dach hat der rüstige 87-jährige einen Früchte-Imbiss vorbereitet, dazu eine Auswahl exzellenter selbstgebrannter Fruchtschnäpse. „Joo, Joo!“ verkündet Tam Ho und kippt das winzige Porzellantässchen mit Hochprozentigem in einem kräftigen Zug hinunter, wir folgen seinem Beispiel. Ein Geschmack aus Zimt und Limonen kitzelt unseren Gaumen. Zusammen mit den Klängen der Folkloregruppe löst der Schub im Blutkreislauf euphorische Stimmung aus.
Brotfrucht
So euphorisch, dass wir den Weg über die sogenannte Affenbrücke wagen. Einfache Konstruktionen aus Holz und Bambus, die einen schnellen Übergang über die Wasseradern ermöglichen. Mit dem Boot tuckern wir weiter in Richtung Can To und gelangen zurück auf einen Hauptarm des Mekong. Auf unserem Weg kosten wir die Küche der Region und kehren ein bei Sau Giao. Auch er bewirtet Touristen - kleine Zimmer im Dschungel mit Frühstück und einer ausgezeichneten Küche. Er serviert Elefantenohrfisch, eine gebratene Delikatesse des Mekongdelta, dazu Reis und Salat. „Viel dran ist nicht, aber er schmeckt hervorragend“, leitet Dung das Menü ein. Als Entree füllen wir hauchdünnes Reispapier mit Salat, Soja und anderen Zutaten, falten es zusammen und genießen die Köstlichkeit.
Affenbrücke
Unterwegs in Can To
In Can To, am Deltaarm Hau Giang gelegen und mit einer halben Million Einwohner die Hauptstadt des Mekongdeltas, passt sich der Rhythmus dem Wasser an – alles ist in ruhigem Fluss. Vereinzelt sitzen Gruppen jeden Alters auf den Bänken am Flussufer und warten auf das kräftige Abendrot nach dem Sonnenuntergang. Gemächlich flaniert ein junges Paar über die Uferpromenade, etwas schüchtern und so unschuldig wie der junge Abend. Eine riesige Statue des Staatsgründers Ho Chi Minh überwacht das Geschehen. Auf der gegenüberliegenden Flussseite flimmern die gewaltigen Reklametafeln multinationaler Konzerne. Ein junger Mann lädt zu einem letzen Flusstörn ein. Am späteren Abend wird die Luft drückend schwül, ein Partydampfer bringt feiernde Gäste an Land.
Leben am Mekong
Am nächsten Morgen schippern wir durch die engen Passagen bei den Schwimmenden Märkten nahe Can To. Es ist Hochbetrieb: Decks werden geschrubbt, Essen zubereitet, Ware sortiert und geladen. Das aktuelle Angebot hängt deutlich sichtbar an einem Bambusmast – Bananen, Kürbisse, Wassermelonen. Die kleinen Händler legen mit ihren Booten vor den großen Kähnen an und laden, was sie später verkaufen können. „Es geht zu wie auf einem Markt in Saigon“, sagt Dung eher beiläufig. Und er hat Recht. Dasselbe Lächeln, dieselbe Leidenschaft schwingen beim Handeln mit – nur: ihre Lebensader ist der Fluss und nicht das Land.
Kleinhändler auf dem Mekong
Reiseveranstalter Vietnam bei schwarzaufweiss
Denkt man an Vietnam, so fallen einem meist zuerst die Kriege ein, die Frankreich und Amerika gegen das kleine Land in Südostasien führten. An vielen Stellen sind die Wunden bis heute zu sehen, doch die Vietnamesen selbst blicken optimistisch in die Zukunft und bemühen sich intensiv um den Aufbau ihres Landes.
Mehr lesen ...
Wenn die Sonne als großer roter Ball im Westen über dem Fluss Thu Bon versinkt, wenn die ersten Feuer unter den Woks angezündet werden, wenn die Hitze des Tages langsam abflaut, dann erwacht die vietnamesische Kleinstadt Hoi An zu neuem Leben. Die Menschen strömen auf die Straßen hinaus, gehen in die Tempel, besorgen noch eine Zutat für das Abendessen vom Markt, führen die Kinder oder Enkel spazieren, und die Ladenbesitzer bereiten sich auf die Abendverkäufe vor. Die Lichter der Stadt gehen an.
Mehr lesen ...
Seit zwei Tagen sind die Touristen in der Halong Bucht unterwegs. Nicht mit modernen Reisebussen und nicht an Bord eines der großen Kreuzfahrtschiffe, die Vietnam immer mehr in ihre Tourenpläne einbeziehen. Und bei weitem fehlen ihnen die PS, die schon ein BMW kleiner Bauart auf die Straße bringt. Sie sind mit Fahrrädern auf Tour. So nah an Land und Leuten, wie sonst kaum möglich. Und auch ihr gemütliches Heim auf dem Wasser, eine 6 Jahre alte Dschunke von Bai Tho Cruises, bringt es gerade mal auf schlappe 130 PS, die der japanische Dieselmotor auf die Schiffsschraube überträgt.
Mehr lesen ...
Stille Ströme, alte Tempel, erstklassige Strände - Vietnam hat viele Facetten. Tief wurzelt das südostasiatische Land in der Vergangenheit, und ist zugleich mit Riesenschritten in die Zukunft unterwegs. Die alten Bergvölker des Nordens, und das flirrende Nachtleben im 1500 Kilometer südlicheren Saigon sind zwei Pole, die dafür stehen. Zwei der weniger bekannten Gesichter, mit denen Vietnam dem Besucher gegenübertritt.
Mehr lesen ...