Text und Fotos: Axel Scheibe
„Seht mal da hinten, ein BMW“, Mister Chu, der vietnamesische Begleiter der Radlertruppe zeigt übers Reisfeld. Verschmitzt lächelnd nimmt er zur Kenntnis, dass seine Gäste weit und breit nicht das finden, was sie unter einem PS-starken Auto deutscher Produktion verstehen. „Da am Feldrand“, lachend hilft er ihnen weiter, „der Bauer Mit Wasserbüffel. Da sind unsere BMWs hier. Davon werden wir im Verlauf unserer Reise noch einige treffen.“
„BMW“ – Bauer mit Büffel
Seit zwei Tagen sind die Touristen in der Halong Bucht unterwegs. Nicht mit modernen Reisebussen und nicht an Bord eines der großen Kreuzfahrtschiffe, die Vietnam immer mehr in ihre Tourenpläne einbeziehen. Und bei weitem fehlen ihnen die PS, die schon ein BMW kleiner Bauart auf die Straße bringt. Sie sind mit Fahrrädern auf Tour. So nah an Land und Leuten, wie sonst kaum möglich. Und auch ihr gemütliches Heim auf dem Wasser, eine 6 Jahre alte Dschunke von Bai Tho Cruises, bringt es gerade mal auf schlappe 130 PS, die der japanische Dieselmotor auf die Schiffsschraube überträgt. 13 zweckmäßige Kabinen. 34 m in der Länge und 7 m breit, so die Maße des gemütlich über die Bucht tuckernden Gefährts, das Kapitän Nguyen Qui Thau souverän durch das Felslabyrinth der Halong Bucht steuert.
Schwimmendes Hotel in der Halong Bucht
Als Teil des UNESCO Welterbes macht die Bucht ihrem guten Ruf alle Ehre. Wenn auch Sonnenstrahlen hier eher seltene Gastgeber sind, so geht im Dunst des schwächer werdenden Tageslichts eine fast bedrückende Mystik von ihr aus.
Die Halong Bucht
Die erste Tour per Rad auf der Van Dong Insel (1) hat den Radlern, eine bunt gemischte Truppe aus Neuseeländern, Kanadiern, Briten, Schweizern, Österreichern und Deutschen, nicht nur die erste Begegnung mit einem vietnamesischen „BMW“ beschert, sondern Eindrücke, die so wohl kaum erwartet wurden. Überall wo die Langnasen mit ihren Mountain Bikes hinkamen, und das sollte sich auch in der Zukunft kaum ändernd, sorgen sie für Aufsehen. Kinder kommen lachend gerannt und staunen, die Erwachsenen am Straßenrand grüßen und winken. Es ist nicht alltäglich, dass Touristen auf dem Drahtesel durch ihre Dörfer radeln. Für die Vietnamesen ist das Fahrrad, neben dem Moped freilich, ein ganz wichtiges Fortbewegungsmittel im Alltag. Damit fährt man zur Schule, zur Arbeit auf dem Feld oder ganz einfach zum Einkauf ins Nachbardorf – doch so einfach nur zum Spaß mit dem Fahrrad durch die Landschaft radeln, das ist ihnen eher fremd. Kein Wunder also, dass die Schüler der kleinen Dorfschule am Rande der Strecke ebenso neugierig auf die Besucher aus der Ferne sind, wie die Kinder des Kindergartens, der zur nächsten Zwischenstation auf dem Weg über die Insel wird.
Quan Lan – Inselbadeparadies für die Einheimischen
Am nächsten Morgen, wieder hat sich feiner Dunst einem grauen Schleier gleich über die bizarren Felsen der Halong Bucht gelegt, bringt sie die Dschunke zur Tra Ban Insel. Tourismus ist für die Bewohner dieses Inselchens ebenso ein Fremdwort, wie Touristen. Schmale Feldwege führen durch kleine Dörfer entlang gepflegter Gemüse- und natürlich Reisfelder. So mancher „BMW“ ist bei der Arbeit. In der Inselschule wird fleißig gelernt. Und wieder – freundliche, lachende, winkende Menschen. Dass man hier nicht das große Geld verdienen mag, ist nicht zu übersehen. Doch es wird viel gebaut und manches Häuschen glänzt mit farbenfrohem neuen Putz. Die Menschen wirken glücklich und zufrieden. Die Stimmung auf den Rädern ist prächtig. Dass dann am Nachmittag, nach der Überfahrt auf die Nachbarinsel Quan Lan (2) sogar die Sonne zum Vorschein kommt, passt perfekt. Denn hier ist eines der Badeparadiese der Einheimischen. Weite, fast unberührte Sandstrände versprechen Spaß und Erholung pur. Wie Mr. Chu erklärt, kommen in den warmen Monaten täglich tausende Erholungssuchende auf die Insel. Doch Ende März ist für die Vietnamesen alles andere als ein warmer Monat. Eine Erfahrung, die auch die Touristen machen müssen. Um die 15 Grad, der scharfe Wind sorgt eher für noch kältere Gefühle und auch im Wasser nur um die 17 Grad. Da sind harte Männer gefragt.
Stimmungsvolle Halong Bucht
Die nächsten beiden Tage bleiben die Räder an Bord. Wie heißt das so schön in den Prospekten von Kreuzfahrtveranstaltern – Seetage. Zu sehen gibt es in der faszinierenden Felsenwelt der Halon Bucht genug. Unter anderem steht eine der rund 400 gefundenen Höhlen auf dem Besichtigungsprogramm. Überwältigend durch Größe und Formenreichtum überrascht sie. Das hatte man nicht erwartet. Erwartet und teils ersehnt dagegen die Ausflüge mit den Kajaks, die bereits am Morgen ans „Mutterschiff“ gebracht wurden. Zwar ein wacklige Angelegenheit, doch der Märchenwelt der Bucht kommt man so noch näher und auch der Ausblick vom Ti Top (3) bringt ein neues Stück Halong-Erlebnis. Rund 400 rustikale Stufen führen auf den 100 m hohen Fels, von dem sich ein überwältigender Blick auf die Bucht öffnet. Das ist großes Kino.
Schwimmendes Dorf in der Bucht
Ein ganz besonderes Erlebnis bieten die schwimmenden Dörfer, die sich ihre Plätze in felsigen Buchten gesucht haben. Hier leben Fischer, gibt es Muschelfarmen und auch sonst so ziemlich alles, was auf dem Festland üblich ist.
Muschelzucht in der Halong Bucht
Auf dem Mekong unterwegs
Dann heißt es Abschied nehmen von der Dschunke. Radtage auf der Ferieninsel Cat Ba (4) folgen, Abstecher, natürlich auch mit dem Drahtesel, in die alte Kaiserstadt Hue (5) und das ebenfalls zum Weltkulturerbe gehörende Hoi An (6). Dann ist es endlich soweit: Über Saigon geht es wieder in Richtung Wasser. Auf dem Mekong wartet die Le Cochinchine. In ihrer äußeren Gestalt angelehnt an die traditionellen Reisbarken, die über Jahrhunderte das Bild des Mekong prägten, bietet sie als schwimmendes Hotel gemütliche 10 Kabinen und ist auch die perfekte Ausgangsbasis für weitere Erkundungen per Rad. Die auf roten Grund gemalten dunklen Augen der Le Cochinchine stellen sich den bösen Geistern entgegen.
Zuerst werden die Kabinen bezogen, die Leistungen des neuen Kochs geprüft und für gut befunden sowie das Sonnendeck inspiziert. Immerhin ist es nun im Süden endlich so warm, wie man es von Vietnam erhofft und erwartet hatte. Ab und zu zeigt sich die Sonne am recht Wolken verhangenen Himmel. Während das obligatorische 8-Gänge-Menü „abgearbeitet“ wird, kümmert sich die Besatzung bereits um die Fahrräder. Mit viel Geschick und Kraft hieven sie die schweren Mountain Bikes über den wackligen Steg an Land. Als die Gäste auf dem gleichen rustikalen Weg von Bord kommen, steht die Radarmada fahrbereit da. Ringsum grünt und blüht es. Das Mekong Delta ist ein fruchtbarer Landstrich. Wie fast überall in Vietnam gibt es kaum ein Fleckchen, das nicht landwirtschaftlich genutzt wird. Die erste Radtour führt auf schmalen Wegen durch die üppige Vegetation. Reisfelder, Gemüsebeete, und Obstbäume säumen die Wege. Kleine, abgelegene Dörfer werden durchfahren, ab und an eine Rast eingelegt, eine frische Kokosnuss geköpft. Genau wie im Norden des Landes schlägt den Radlern Herzlichkeit entgegen. Doch halt, ein kleiner Unterschied fällt auf, einen Schuss westlichen Einfluss merkt man doch. Lachen und winken die Kinder im Norden, ist bei den kleinen Vietnamesen im Delta das Abschlagen groß in Mode. „Gib mir Fünf…“ so die lachende Bitte der Kleinen.
Unterwegs im Delta
Am Abend gibt es viel zu erzählen. Alle wollen ihre Erfahrungen und Erlebnisse austauschen. Währenddessen sitzt Kapitän Le Thanh Tan im Steuerhaus und hat das Handy am Ohr. Der 33 Jährige telefoniert mit seiner Frau und den beiden Töchtern. So wie in seiner Familie seit Generationen üblich fährt er zur See. Wobei See in diesem Fall der mächtige Mekong ist. Nur zwei bis drei Tage im Monat ist er bei seiner Familie, den Rest der Zeit der Chef auf der Le Cochinchine.
Seit 7 Jahren steuert er komfortable Kreuzfahrtschiffe der Reederei Mekong Tourist durch die Wassermassen des mächtigen Stroms. Spät am Abend lichtet Le Thanh Tan den Anker. Er will noch heute den Ausgangspunkt der nächsten Radtouren erreichen. Die Nacht hat sich über den Fluss gelegt. Mond und Sterne Fehlanzeige. Ab und an passiert eines der kleinen Fischerboote das Schiff. Nur deren laut hämmernden Einzylinder-Dieselmotoren zeigen ihren Kurs. Signallampen sucht man zumeist vergebens. Auch die Le Cochinchine verfügt weder über starke Scheinwerfer noch über Radar. Für den Kapitän kein Problem. „Ich kenne den Weg“, so seine lapidare Antwort.
Produktion von Reisbonbons
Kleine Inseln im Delta sind das Ziel des nächsten Tages. Wieder hat die Besatzung die Räder bereit gestellt und wieder sind es zumeist engste Wege, die durch das üppige Grün führen. Spannend auch der Abstecher in eine kleine Manufaktur, in der neben Reisnudeln auch Puffreis und Reisbonbons entstehen. Fotografieren? Kein Problem. Kosten natürlich auch nicht. Manch kleines Päckchen wandert als Souvenir für die Daheimgebliebenen in die Rucksäcke.
Auf dem schwimmenden Markt von Can Tho
Der Abschiedstag steht auf dem Programm. Zeitiges Aufstehen ist angesagt. Can Tho (7) ist mit rund 700.000 Einwohnern die größte Stadt im Delta und der schwimmende Markt vor ihren Toren der berühmteste der Region. Dutzende Boote mit all dem, was Felder und Gärten zu bieten haben, liegen vor Anker. Mit hunderten kleineren Booten kommen die Einzelhändler der Region, um die Ware für den Tag zu erhandeln. Da ist für Abwechslung gesorgt. Doch wie überall in der Welt, Großmärkte starten sehr früh und wer erst am Vormittag kommt, dem bleibt nicht mehr viel vom Fluidum übrig. Also um 6 ab in ein kleineres Boot. Die Fotoapparate klicken im Sekundentakt. Die Motivbreite ist überwältigend. Nach zwei Stunden wartet das Abschiedsessen an Bord.
Weitere Informationen zur Reise gibt es unter www.inselhuepfen.de.
Reiseveranstalter Vietnam bei schwarzaufweiss
Denkt man an Vietnam, so fallen einem meist zuerst die Kriege ein, die Frankreich und Amerika gegen das kleine Land in Südostasien führten. An vielen Stellen sind die Wunden bis heute zu sehen, doch die Vietnamesen selbst blicken optimistisch in die Zukunft und bemühen sich intensiv um den Aufbau ihres Landes.
Mehr lesen ...
Der Mekong verästelt sich in seinem Delta in ein Meer von Flussarmen und Kanälen – das Boot wird zum wichtigsten Verkehrsmittel und die Märkte beginnen zu schwimmen. Besuch in einem der fruchtbarsten Regionen des Landes.
Mehr lesen ...
Wenn die Sonne als großer roter Ball im Westen über dem Fluss Thu Bon versinkt, wenn die ersten Feuer unter den Woks angezündet werden, wenn die Hitze des Tages langsam abflaut, dann erwacht die vietnamesische Kleinstadt Hoi An zu neuem Leben. Die Menschen strömen auf die Straßen hinaus, gehen in die Tempel, besorgen noch eine Zutat für das Abendessen vom Markt, führen die Kinder oder Enkel spazieren, und die Ladenbesitzer bereiten sich auf die Abendverkäufe vor. Die Lichter der Stadt gehen an.
Mehr lesen ...
Stille Ströme, alte Tempel, erstklassige Strände - Vietnam hat viele Facetten. Tief wurzelt das südostasiatische Land in der Vergangenheit, und ist zugleich mit Riesenschritten in die Zukunft unterwegs. Die alten Bergvölker des Nordens, und das flirrende Nachtleben im 1500 Kilometer südlicheren Saigon sind zwei Pole, die dafür stehen. Zwei der weniger bekannten Gesichter, mit denen Vietnam dem Besucher gegenübertritt.
Mehr lesen ...