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Oslo Munchmuseum / Nationalmuseum / Vigelandmuseum

 

Oslo
Munchmuseum

Blick in die Sammlung

Schlüsselwerke wie Der Schrei und Madona sind in der Präsentation der Werke des norwegischen Malers Edvard Munch im neuen Munch Museet hinter der Oper von Oslo zu sehen. Die Auswahl der Werke erlaubt es dem Besucher, Munch umfassend in seinem künstlerischen Schaffen kennen zu lernen. Die Motive von Munch sind einmalig und doch durchaus auch wiederholend, beschäftigten ihn doch Themen wie Isolation, Einsamkeit, Krankheit, Tod, Familie, Entfremdung lebenslang. Diese Themen finden sich in den Gemälden, den grafischen Arbeiten und Zeichnungen sowie skulpturalen Werken. Auch Fotografien sind zu sehen, die das private Umfeld des Künstlers in den Fokus rücken.

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Edvard Munch vor seinem Gemälde "Die Sonne", 1943

Neben der Oper und der neuen und einer der modernsten Stadtbibliotheken in Europa, der Deichman-Bibliothek, ist das Munch-Museum der architektonische Hingucker im Stadtviertel Bjørvika schlechthin. Doch die Architektur soll uns im weiteren nicht beschäftigen, sondern die Präsentation von Munchs künstlerischem Schaffen. Dieses wird gleich auf drei Etagen des neuen Museums präsentiert. Im 7. Stockwerk werden die Holzschnitte nebst den Druckstöcken gezeigt, darunter sowohl der erste als auch der letzte Holzschnitt. Ein Stockwerk tiefer heißt es „Munch monumental“. Dabei werden Entwürfe und Ausführung für die Ausgestaltung der Aula der Universität Oslo vorgestellt. An der Ausschreibung anlässlich des 100. Gründungsjahres der Universität hatte sich Munch sehr zum Ärger von Zeitgenossen nach seiner Rückkehr nach Oslo im Jahr 1911 beteiligt. Zu finden sind dabei Arbeiten wie „Sonne“ und „Die Forscher“ sowie „Der Menschenberg“. Schließlich stößt man in der 4. Etage auf die bekannten Meisterwerke, darunter „Mädchen auf der Brücke“, „Madonna“, „Das kranke Kind“ und „Der Schrei“.

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The Human Mountain Towards the Light / Menneskeberget Mot lyset,1927-29

Der erste Holzschnitt Edvard Munchs entstand 1896 und zeigt einen Mann „umweht“ von den Haaren einer Frau. Man könnte sogar davon sprechen, dass die herabfallenden Haare einer Tunika gleichen, die den Mann umhüllt. Der Mann, ein Porträt, ist niemand anderer als Munch selbst. Lange rotblonde fallende Haare sind ebenso wie das Porträt zentral in dieser Paar-Darstellung, die auch etwas über den Seelenzustand des Künstlers und sein Verhältnis zu Frauen aussagt. Neben dem Druck sind auch die Druckstöcke zu sehen. Das Motiv hat Munch dabei im Druckstock in Einzelteile aufgegliedert, um die Chance für unterschiedliche Farbdrucke zu haben. „Im Gehirn eines Mannes“ hat gewiss eine sexuelle Konnotation. Männerfantasien von willigen erotischen Frauen stehen im Fokus. Was wir sehen ist ein Männerporträt über dem eine nackte Frau mit drallem Hinter schwebt. Der Druck ist in Rot gehalten. Rot steht dabei für Lust, Liebe und Erotik. In diesem Falle ganz entscheidend für die Ausformung des Holzschnittdrucks.

 

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I mannens hjerne, 1897

Neben Holzschnitten hat sich Munch auch mit Frottagen befasst. Dabei handelt es sich um eine grafische Technik, bei der ein Oberflächenrelief eines Gegenstandes mittels eines Wachs- oder Bleistiftes auf ein darüber gespanntes Blatt Papier übertragen wird. Von Munch sind zurzeit drei Motive bekannt, die er in Frottagen umgesetzt hat. „Kopf an Kopf“ aus dem Jahr 1905 ist eines der bekannten Motive. Wange an Wange schmiegt sich das Paar aneinander. Dabei kann man sich beim Betrachten des Eindrucks nicht erwehren, dass der Mann die dominante Rolle einnimmt und die Frau sich devot zeigt.

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Forskerne/The Researchers, 1911/1925-27


Bei „Mann und Frau“ meint man, der Moment nach dem Liebesakt wurde von Munch bildlich festgehalten. Sie sitzt auf dem Sofa und stützt sich mit einer Hand in der Sitzhaltung ab. Gebeugt und sein Gesicht mit den Händen verbergend sieht man den Mann, der abseits von seiner Frau Platz genommen hat. Was erleben wir? Den Moment einer gescheiterten Liebesbeziehung? Den Morgen nach dem flüchtigen Sex? Das Thema Entfremdung greift Munch in dem Farbholzschnitt „Die Einsamkeit“ auf. Ein Mann in einem schwarzen Anzug und eine weißgekleidete Frau mit rotblondem Haar stehen am Strand und blicken aufs Meer, derweil der Monat aufgegangen ist und einen hellen Lichtstreifen aufs Meer wirft.


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Arbeidere i snø / Arbeiter im Schnee, 1931-1933

In einem Kleinformat ist „Kuss aufs Haar“ angelegt worden, weitgehend schematisiert und ohne nennenswerte Details. Ein Jahr vor seinem Tod schuf Munch nochmals eine Variation des Kusses. Diesmal „Kuss auf dem Feld“ (1943). Mit wenigen Strichen skizzierte der Künstler das Motiv und band dabei die Maserung des Holzes als stilistisches Mittel in die Arbeit ein.

Nach dem Rundgang durch die Ausstellung „Munch – Nahsicht“ folgt anschließend das Kapitel „Munch – monumental“. Wie bereits oben angedeutet, handelt es sich um Arbeiten zur Ausgestaltung der Aula der Universität von Oslo. Neben den diversen Entwürfen sieht man auch die monumentalen Ausführungen wie „Die Forscher“, eine Arbeit, für die Leinwände horizontal zusammengenäht werden mussten.

 

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Solen/The_Sun,1910-11

Aufgrund des Vergleichs von Vor- und Hauptarbeiten, kann man sehr gut die Abweichungen ausmachen. In dem Entwurf für die Arbeit „Menschlicher Berg“ sieht man noch einen Thronenden unterhalb des Berggipfels. Unten mittig kann man das Brustbild einer drallen Frau ausmachen. Sie und zwei weitere Frauen am linken Rand der Szenerie haben sich von dem Thronenden abgewendet, derweil andere Gestalten versuchen, den Berg zu erklimmen, zumindest aber auf einen Felsvorsprung zu klettern. Übrigens hat Munch den „Menschlichen Berg“ auch skulptiert, um für sich selbst ein dreidimensionales Bild für seine Arbeit in Öl zu gewinnen. In der Endfassung des Werks fehlt der Thronende. Aus der drallen Rothaarigen wurde eine dünne Frau mit roten Haaren. Die beiden links und abseits sitzenden Frauenfiguren sind gänzlich verschwunden. Viel mehr Nackte als im Entwurf streben in der Endfassung des Werks gen Bergspitze. Darunter ist auch ein Mann, der auf der linken Seite lang gestreckt den ersten Felsvorsprung zu erklimmen versucht. „Die Sonne“ erscheint wie eine lineare Lichteruption inmitten einer Felsenlandschaft – so der Entwurf. In der Endfassung jedoch hat Munch die Felsenlandschaft sehr licht gestaltet und die Sonne mit „Lichtverwirbelungen“ versehen.

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Der gelbe Baumstamm", 1912. Öl auf Leinwand


50 qm Leinwand wurden von Munch für „Die Forscher“ bemalt. Die Zentralfigur ist die Mutter, die ihr Kleinkind in den Armen hält, wohl Symbol für die Alma Mater , dabei durchaus auch an die Darstellung der Gottesmutter erinnernd. In der linken Hälfte des Gemäldes haben sich Knaben ihrer Kleidung entledigt, um im Meer baden zu gehen. Nackt sind auch weitere Kinder, die sich rund um die Mutter geschart haben. Im Hintergrund sieht man eine bläuliche Gebirgskette, die in der malerischen Anlage an Landschaften von Ferdinand Hodler erinnert. Rechts ist das Gemälde von einem Laubbaum gerahmt. Der Duktus für diesen Teil des Gemäldes ist eher expressiv, wenn nicht gar expressionistisch im Geiste van Goghs.

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Ausstellungsinszenierung, Porträts, darunter auch Selbstbildnis mit Pinsel,
ganz rechts

Die Hauptwerke Munchs sind in der Schau „Munch – unendlich“ zu entdecken. Warum nur dieser Ausstellungstitel? Meint man damit eher „Munch ohne Ende“? Aber auch das ist irreführend, denn motivisch und stilistisch gab es bei Munch ein Ende. Er hat ja seine Malerei nicht ins Abstrakte, auch nicht ins Figurativ-Abstrakte fortentwickelt. Auch andere Strömungen wie der Kubismus und Fauvismus sind an Munch vorüber gegangen. Er blieb in der (klassischen) Moderne verwurzelt, verzichtete aber entgegen der Mitglieder der „Brücke“ auf gefühlte Farben. Die Bewegung, so im „Heimweg der Arbeiter“ und in dem Werk „Galoppierendes Pferd“, mündete bei Munch nicht in futuristischen Ansätzen, sondern schlicht darin, dass er teilweise seine Personen aus dem Bild entschwinden lässt, nur noch als angeschnitten erkennbar macht. Er vermeidet dabei auch Schraffuren, die die Bewegung andeuten. So ist die Bewegung des galoppierenden Gauls nur aus dem schreckhaften Ausweichen der Kinder und dem angedeuteten schnellen Gangart des Pferdes auszumachen.

 

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Sternennacht / Stjernenatt, 1893 links und Winter in Kragerø, 1912 rechts

Eine filmische Arbeit Munchs mit Szenen aus Dresden und Oslo ergänzen die malerischen Arbeiten. Als regelmäßiger Kinobesucher hatten es Munch die bewegten Bilder angetan. Die Inspiration für seine „bewegte Malerei“ entnahm er szenischen Inszenierungen, in denen Menschen auftauchen und verschwinden, aus dem Bild treten. Weitere Unterthemen, denen sich die Munch-Präsentation widmet, sind u. a. „Variationen“, „Allein“ und „Nackt“ sowie „Draußen“.

Mit Munch erleben wir eine „Sternennacht“. Dabei wird die nächtliche Szenerie nicht nur durch die Sterne am grünlich-rötlichen Himmel erhellt, sondern auch durch die Lichter des Hauses, das außerhalb des Bildes steht. Nur einen Balkon können wir erkennen, auf dem sich zwei Personen befinden. Die eine erscheint wie ein Schattenmensch. Bläulich und rosafarbenes Licht fällt auf die Umgebung des Hauses. 1912 entstand „Winter in Kragerø“. Die Schirmkiefer im Vordergrund und die bewaldeten Höhen im Hintergrund sind nicht von Schnee bedeckt, sehr wohl aber die Straßen und Gassen zwischen den Häusern. Skizzenhaft und aus einem flüchtigen Moment der Ansicht heraus scheint die Stadtlandschaft auf dem Malgrund entstanden zu sein.

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Ausstellungsansicht, u. a. vorne links Porträt von Friedrich Nietzsche

Schuppig ist die Rinde der Bäume zwischen denen ein in Gelb getauchter Baum nach dem Fällen zum Liegen gekommen ist. „Der gelbe Stamm“ lautet der Titel der Arbeit, die sich eines eher banalen Motivs angenommen hat. Die Nahsicht ist entscheidend und nicht das Panorama eines Waldes. Darin scheint es eine Nähe zum Nestor des deutschen Impressionismus Christian Rohlfs zu geben, der sich in seinem Werkkanon auch immer wieder einmal eher abseitigen Motiven zugewandt hat. Beinahe wie Modelle aus einem Faller-Bausatz für die Modelleisenbahn erscheinen die schuppig von Schnee bedeckten Bäume in dem Gemälde „Neuschnee“. Den beginnenden Frühling beschwört Munch in „Ulmenwald im Frühling“ herauf. Noch ist der Wald blattlos, aber das Sonnenlicht hat die Bäume in Pistaziengrün getaucht. An einem Hang ist eine Frau in einem feuerroten Kleid zu sehen, die den Frühling „begrüßt“.

 

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Hode ved hode / Head by Head, 1905

Zu den von Munch Porträtierten gehört unter anderem der graubärtige Ibsen, im Grand Cafe an der Karl Johann gate sitzend. Auch ein Selbstporträt mit Pinseln in der Hand bekommen die Besucher zu Gesicht. Etwas verloren schaut Friedrich Nietzsche in der ihn umgebenden Landschaft aus. Man möchte fast von fremd reden, so als hätte Munch das Porträt mit der Landschaft in einem Cut Out verbunden.

Munchs Stärke war es die Seelenzustände von Menschen in Gemälden festzuhalten. Das gilt auch für „Verzweiflung“, 1934 entstanden. Es zeigt ein Paar auf einer Brücke (?) und einen Einsamen der sich davonschleicht und beinahe nicht mehr im Bild erscheint. Verlassen am Strand sitzt ein Mann, der vor sich hin starrt. An einem Steg wurde ein Kahn festgebunden. Der Strand ist menschenleer, bis auf den Einsamen, der sich selbst überlassen bleibt: „Melancholie“ lautet der Werkstitel.

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Ausstellungsansicht: Arbeiter auf dem Heimweg / Arbeidere på hjemvei, 1914

Während es in der bildenden Kunst zu Munchs Zeiten gang und gäbe war, weibliche Akte zu malen und sehr selten männliche, findet man bei Munch beide Aktdarstellungen; so den „Männlichen Akt“ von 1915 und „Modell mit Korbstuhl“ von 1919-1921. Eher ungewöhnlich ist die „Weinende Nackte“, die ihre Nacktheit mit ihren langen Haaren bedeckt hat, derweil sie mit seitlich gespreizten Beinen auf einem roten Sofa Platz genommen hat.

Nicht nur als Bronze schuf Munch eine Nackte, sondern auch in einem schmalen Hochformat und zwei unterschiedlich großen Querformaten. Mal steht die Nackte mit gesenktem Kopf in einem leeren Raum, mal ist der Raum mit einer gepunkteten Tapete gestaltet oder es steht ein Möbel im Raum. Motivvariationen wie diese sind für Munch überaus typisch.

 

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Ausstellungsansicht: u. a. mittig Madonna, 1894

In barockem Rot ist der Raum ausgestaltet, der sich mit dem Thema Sterben beschäftigt. „Das kranke Kind“ ist in diesem Ausstellungsabschnitt als Gemälde und in einer Lithografie zu finden. Sehr beeindruckend ist die Arbeit „Tod und Kind“. Ein kleines Mädchen in einem roten Hängekleidchen hält sich angesichts des Todes die Ohren zu. Ihre Augen sind aus Angst weit aufgerissen. Die anwesenden Erwachsenen scharen sich um das Bett des Verstorbenen. Munch hatte schon früh mit dem Tod zu tun. Als Junge erlebte er die sterbende Mutter und auch die sterbende Schwester.

Fazit: eine sehr gelungene Präsentation, insbesondere im Hinblick auf die grafischen Papierarbeiten Munchs.

© ferdinand dupuis-Panther

Fotos Munch Museet / Ciopyrights für die Werke beim Künstler bzw. dessen Rechtenachfolgern.

 

Info
https://www.munchmuseet.no/en/

 

 

 

 

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