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Ausstellungsorte in Hamburg: Museum der Arbeit / Kunsthalle / Ernst-Barlach-Haus / Museum für Hamburgische Geschichte

Hamburg
Museum der Arbeit


Hamburger Industriegeschichte
laufend

• ABC der Arbeit Vielfalt – Leben – Innovation

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Hamburger Industriegeschichte an historischem Ort

Auf dem ehemaligen Werksgelände der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie in Hamburg-Barmbek präsentiert sich ein Museum der Hamburger Industriegeschichte, das Arbeitsorte wie den der Metallfabrik Carl Wild zu neuem Leben erweckt. Grafisches Gewerbe und die Fabrikgeschichte der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie AG sowie Themen wie Arbeit im Kontor und Arbeitswelten von Frauen und Männern vervollständigen den Blick auf die Industrialisierung und ihre Folgen für den Alltag.

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Am Rande des Museumsgeländes: Hiermit wurden die
Elbtunnelröhren geschaffen foto: fdp

Museal genutzt wird nicht nur die „Neue Fabrik“ (1906-08), die um ein Stockwerk erweitert wurde, sondern auch das Kesselhaus von 1896/7. Diese Bauwerke gehörten ursprünglich zu der 1861 gegründeten New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie, die aus Hartgummi Kämme und Schmuck herstellte. Seit 1954 residiert das Unternehmen in Hamburg-Harburg, nachdem die Stadt das Gelände in Barmbek zuvor gekauft hatte.

Pendelschlagpresse, Spindelpresse und Kautschukhandel

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Einst wurden hier Gummikämme hergstellt fofo: fdp

Die Ausstellung gleicht einem Mosaik der Industriekultur: Gegenstände und Dokumente zum Alltag im Industriezeitalter wie eine Pendelschlagpresse zur Herstellung von Seifenstücken – 5000-6000 wurden am Tag geprägt –, der Fernsprechtischapparat OB 05 (1905) oder die Arbeiterkontrolluhr (um 1900), die Metallwerkstatt Carl Wild und die Maschinen- und Handsetzerei mit einer Spindelpresse für den Buchdruck (um 1780) und Handsatzregalen. Doch es gibt noch weitere Mosaiksteinchen zu sehen: ein Hamburger Handelsgeschäft für Kautschuk und Kakao, die Fabrikgeschichte der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie und der Prozess vom Kautschuk zum Gummi. Schließlich widmet man sich auch den Arbeitswelten von Männern und Frauen: Mit Kurzlebensläufen von Frauen aus der DDR und BRD, mit einer Hörcollage „Typisch Mann/Typisch Frau“ und Einblicken in den Arbeitsalltag in der Fischverarbeitung mit O-Tönen: „Im Sommer, wenn die Matjes-Saison ist, dann schneide ich fünf Fässer – 300 Filets sind ungefähr in einem Fass ...“, so berichtet Helga B. über ihren Arbeitstag.

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Ein Methusalem aus dem Straßenbau (c) foto fdp

Anstecknadeln von Carl Wild
Einen Blick in die gründerzeitliche Villa der Familie Wild können wir als Besucher zwar nicht werfen, doch die Werkstatt, in der aus einer Zeichnung eine Anstecknadel wurde, dürfen wir besichtigen. Man sieht die Tische, an denen die Entwürfe entstanden, entdeckt, wo gedreht und gehobelt, wo gestanzt, geprägt und entgratet wurde. Und wir lesen von Erika Fengler, die als letzte Mitarbeiterin der Firma Carl Wild bis 1989 dem Unternehmen die Treue hielt. Auch der Arbeitsplatz eines Graveurs ist noch erhalten, zu erkennen an den typischen Arbeitsgeräten wie der Graveurkugel. In einer Vitrine kann man die Vielfalt der Produkte bestaunen, die die Firma Carl Wild herstellte: einen Polizeistern für die Bereitschaftspolizei, eine Medaille des Deutschen Ruderverbandes von 1979, Plaketten für den FIAT 124 Spider Club und die Brosche der HADAG mit dem Dampfer „Imperator“ (1913/14). © fdp

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Blick in einen Eismaschinenraum mit Dampfmaschine der Firma Unilever in Bahrenfeld, 1901/1902 Foto Konvolut Unilver/Museum der Arbeit. © Museum der Arbeit

ABC der Arbeit
Vielfalt – Leben – Innovation

Auf 400qm werden unterschiedlichste Aspekte der Geschichte der Arbeit in Hamburg seit der Industrialisierung aufgegriffen und anhand von Arbeitsprodukten, Kleidung, Werkzeugen, Maschinen, mündlichen und schriftlichen Erinnerungen und Fotografien vermittelt. Der behandelte Zeitraum beginnt mit der Einführung der Gewerbefreiheit für den Norddeutschen Bund 1869. Ein Schwerpunkt der Exponat-Auswahl liegt jedoch auf dem 20. Jahrhundert. Den Kern der Ausstellung bilden Objekte und Dokumente, die Hamburgerinnen und Hamburger dem Museum der Arbeit in den vergangenen 26 Jahren seit seiner Gründung anvertrauten. Sie erzählen eine "Geschichte der Arbeit", die über die persönliche Erinnerung, subjektive Arbeitserfahrungen oder die frühere Nutzung die Veränderung von Arbeitsprozessen und den Wandel von Arbeit beschreibt.

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Blick in die Ausstellung foto: fdp

Wie in anderen Museen auch stand auch im Museum der Arbeit schon seit längerer Zeit die Überarbeitung der Dauerausstellung ganz oben auf der To-Do-Liste. Nun ist es soweit: Im 2. Obergeschoss des Hauses präsentiert sich ein Ausstellungsparcours, der nicht von ratternden Maschinen des grafischen Gewerbes, nicht von der Altonaer Fischräucherei oder dem Handelskontor eines Hamburger Kaufmanns dominiert wird. Stattdessen empfängt den Besucher ein überdimensionierter Setzkasten mit Exponaten wie dem roten Lackstiefel einer Sexarbeiterin aus St. Georg und ein „gedeckter Tisch“, auf dem die Exponate wie ein Kinderwagen, das Operationsbesteck eines Arztes und das Werkzeug eines Zimmermanns oder der Koffer des Ingenieurs Carl Röper, der die Europalette erfunden hat, ihren Platz haben.

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Arbeitsschuhe für die Arbeit auf dem Hamburger Straßenstrich, 1998 Foto: Karin Plessing/MDA. © Museum der Arbeit

Eingelassene Vitrinen nehmen ebenso Exponate auf wie Schubfächer, in denen lichtempfindliche Dokumente aufbewahrt werden. Erstmals ist dem Besucher auch die Datenbank des Museums zugänglich, sodass dank der dort vorhandenen vertiefenden Informationen die Geschichten hinter den Exponaten begreifbar werden. Hörstationen lassen es zu, interessante Lebensläufe nachzuvollziehen, ob von einem Universalschleifer oder einer Drogistin. Aber auch ein männlicher Erzieher mit einem Faible für Australian Rules Football kommt zu Wort.

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Personal Computer Commodore Pet 2001-8-, Anfang 1980er Jahre, Markteinführung 1977 Foto: Karin Plessing/MDA. © Museum der Arbeit

Zimmermann, Kupferschmied und ...

Gegliedert ist die sehenswerte Präsentation mit ihren etwa 300 Objekten in vier Themenblöcke: Innovation, Vielfalt der Arbeit, Lebensgeschichten und ABC der Arbeit (im sogenannten Setzkasten). Eine Zeitleiste ermöglicht dem Besucher, die historische Einordnung der unter dem Stichwort „Vielfalt der Berufe“ jeweils vorgestellten Berufe, angefangen vom Zimmermann über den Kupferschmied bis hin zum Arzt und Ingenieur. Dass dabei nicht eine Enzyklopädie der Berufe vorgestellt wird, ist naheliegend. Nur Schlaglichter, so die Kuratorin der Ausstellung Christina Bargholz, wolle man auf die verschiedenen Aspekte des Themas werfen. Die Datenbank diene dann dazu, sich als Besucher vertiefend mit der Materie zu befassen.

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Blick in die Ausstellung: Thema Arbeitskämpfe foto: fdp

Tritt der Besucher am Eingang der Schau in einen Lampenschirm, dann wird er mit Schlagzeilen aus Medien und Sinnsprüchen zur Arbeit auf die Fragestellungen und verschiedenen Aspekte der Ausstellung schon ein wenig eingestimmt: „Burn out endlich mehr Zeit haben“ - „Gesellschaftsmodell Ausbeutung“ - „Bück dich hoch! Fleißig Überstunden ganz normal“ - „Karriere? Das tue ich mir doch nicht an!“ - „Froh erfülle Deine Pflicht“.

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Blick in die Schau foto fdp

Innovationen: ein Ingenieur und seine Paletten

Nicht nur die Europalette und der Hubwagen springen ins Augen, sondern auch der große Koffer, den sich der selbstständig arbeitende Ingenieur Carl Röper von einem Koffermacher hatte anfertigen lassen. Röper ist die Einführung der Europalette in den Hafen bezogenen Unternehmen der Hansestadt zu verdanken. Einheitlich normiert erleichterte sie den Transport und das Stapeln von Waren. Röpers Koffer enthält all das, was bei Kundenbesuchen benötigt wurde, wenn es darum ging Hafenunternehmen zu beraten und sie von dem normierten Palettensystem zu überzeugen. HHLA, Still und Philips waren Röpers Kunden. Auf dem Rand des Sockels, auf dem der Koffer Röpers, aber auch eine Europalette gezeigt werden, sieht man historische Fotos vom Einsatz der Palette unter anderem im Margarinewerk Bahrenfeld. In einem Film erfährt der Besucher mehr über die Herstellung von Paletten, die an den Längsklötzen mit Brennstempeln das Firmenlogo eingebrannt erhalten.

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Blick in die Ausstellung: Vielfalt der Berufe foto: fdp

Von der Europalette und deren Einsatz geht es stracks ins Klärwerk Köhlbrand, wo Abwasser und Regenwasser gereinigt werden. Ohne einen Zentralrechner aus dem Jahr 1984, der 2009 durch eine Steuerungsanlage ersetzt wurde, wäre eine derartige Anlage nicht zu bedienen. Nun dient der Rechner als Anschauungsobjekt für den technologischen Wandel. Sinnfällig verdeutlicht wird dieser Wandel auch mittels eines Dampfmaschinenmodells und des Personal Computer IBM XT5160.

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Erinnerung an die Besetzung der HDW durch die Gruppe Aktive Metaller foto: fdp

Arbeitskämpfe für ein auskömmliches Leben

Der technologische Wandel ging und geht mit Arbeitskämpfen zur Gestaltung der Arbeit und zu einer angemessenen Entlohnung einher. Auch das thematisiert die Ausstellung ausführlich, auch und gerade mit Unterstützung der in Hamburg arbeitenden Gewerkschaften. Ein Schulwandbild klärt über die sozialen Sicherungssysteme auf. Der Besucher erfährt beispielsweise, dass bereits 1927 die Arbeitslosenversicherung eingeführt wurde und 1883 die erste Krankenversicherung existierte. Die Arbeitslosenmeldekarte des Kupferschmieds Bruno Schmidt von 1932 zeigt man dem Besucher wie auch die Streikzeitung aus Anlass des Metallarbeiterstreiks von 1956. Hier ging es um die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten in der Frage der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Dafür streikte man damals 114 Tage lang!

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Plakat- für das 1. Mai-Plakat. Das Bildmotiv ist in den Farben schwarz, rot und gelb gehalten, in den dunklen Feldern wird, in reduzierter Strichtechnik, der arbeitende Mensch dargestellt. Entwurf Erich Wegner, 1955 Foto: Karin Plessing/MDA. © Museum der Arbeit

An den 2009 durchgeführten Streik der Gebäudereiniger erinnert ein roter Streiküberzieher aus Plastik mit dem Aufdruck „Wir streiken“. Auch der historische Hamburger Hafenarbeiterstreik von 1896/97, an dem sich 17000 Arbeiter beteiligten, findet in der Schau seine Würdigung. Die Fahne der Bruderschaft der Kupferschmiede ist ebenso wie die Fahne der Hamburger Schauerleute Symbol für den Kampf um die Arbeitsbedingungen der Malocher. Auch dem Niedergang der Traditionsdruckerei Broschek & Co widmet sich die rhythmisiert gestaltete Ausstellung. Das 1808 gegründete Unternehmen schloss im April 2011 seine Pforten. „Gerettet“ wurde das Rednerpult aus dem Unternehmen Broschek Co. An dieser Stelle des Parcours wurde eine Hörstation über die Abwicklung des Unternehmens installiert.

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Auf in den Kampf für den Mindestlohn! foto: fdp

Nur wenige erinnern sich heute an die HDW-Besetzung und an den Streik der Aktiven Metaller. Ein Kettenschloss, mit dem ein Nebentor der Werft verschlossen wurde und einem der Aktivisten zum Geburtstag geschenkt wurde, ist Zeugnis eines Arbeitskampfes, der nicht die Zustimmung der IG Metall gefunden hatte. Auch ein roter Riesenkoffer mit Fahnen, Plakaten, Tragetaschen und Westen ist zu sehen. Er fand bei der Kampagne zum Mindestlohn seinen Einsatz.

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Foto fdp

Arbeitsschutz – der Besucher kann hier verschiedene Schutzhandschuhe ausprobieren – und Arbeitssicherheit sind weitere Aspekte, die zum Thema ABC der Arbeit gehören. Auch ein wichtiges Instrument des Arbeitsschutzes, das Gehörtestgerät, einst bei Broschek &Co von der dortigen Betriebsärztin verwendet, hat den Weg ins Museum der Arbeit gefunden.

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Unfallverhütungsplakat der Berufsgenossenschaft Druck u. Papierverarbeitung, um 1960 Foto: Karin Plessing/MDA.© Museum der Arbeit

Wie bereits oben erwähnt, sind es die spannenden Interviews die auch ein Stück Arbeitsalltag lebendig werden lassen, wenn ein einst reisender Zimmermann, eine Drogistin und ein Universalschleifer von ihrer Arbeit berichten. Auch eine U-Bahnfahrerin und eine Hochschullehrerin kommen zu Wort. Zu sehen sind Friseurutensilien und der Meisterbrief von Hannelore Meyer, die als Schneiderin arbeitete. Mit einem T-Shirt wird um männliche Erzieher geworben, so wie Marc Stuart Fairweather, der in seiner Freizeit Australian Rules Football bei den Hamburg Dockers spielt.

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Zimmermänner bei der Arbeit, im Hintergrund die Nikolaikirche 1951 Foto Germin (MDA)© Museum der Arbeit

Vielfalt der Berufe

Das Modell eines Dachstuhls sowie die schwarze Kluft eines Zimmermanns nebst dessen Werkzeugen wie Schlegel, Winkel und Schmiege veranschaulichen diesen Beruf wie auch andere Exponate und Arbeitskleidung weitere Berufe. Zu sehen ist zum Beispiel die Schutzschürze des Kupferschmieds Bernhard Stammer, der bei der Eisenbahn tätig war. Auch das Zunftwappen der Kupferschmiede mit Kupferkessel und zwei Kupferlöwen präsentiert man dem Besucher. Ganz in Asbest gehüllt ist der Gießereiarbeiter. Im weißen Kittel dagegen arbeitet der Arzt, dessen Arztkoffer gleichfalls zu sehen ist. Auch die typischen Frauenberufe wie Altenpflegerin und Putzfrau machen einen Teil dieses Ausstellungssegments aus. Schließlich widmet man sich auch dem Beruf des Hochschullehrers und erinnert an die Studentenaktion „Unter den Talaren … Muff aus hundert Jahren“. Die Robe, die ausgestellt ist, gehörte Walter Matthes, der trotz seiner Nazivergangenheit bis 1991 an der Hamburger Uni lehren konnte.

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Rundum gelungen ist die Präsentation. Es ist zu hoffen, dass nach und nach auch die anderen Bereiche des Hauses eine Auffrischung erhalten. Doch ohne eine entsprechende finanzielle Ausstattung des Hauses durch die Stadt Hamburg steht ein solches Projekt wohl leider in den Sternen. © fdp

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Kedelklopperhose aus Segeltuch, Arbeitshose von Wilhelm Stammer, einem ehemaligen Binneschiffer, ohne Datierung Foto: Karin Plessing/MDA. © Museum der Arbeit

Museum der Arbeit
https://www.museum-der-arbeit.de/

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