Reiseführer Trondheim

Rockheim, Rock und Pop aus Norwegen

Trondheim, Rockheim

Wer an Musik aus Norwegen denkt, denkt an Edvard Grieg, wenn er denn ein Klassikfreund ist, an Wencke Myrhe wenn er auf Schlager wie „Beiß nicht gleich in jeden Apfel“ oder „Er hat ein knallbuntes Gummiboot“ steht oder an Jan Gabarek, wenn er Jazz aus dem hohen Norden liebt. Ist man eher ein Freund von Folkmusik, dann lauscht man dem Gesang von Mari Boine, die in ihrer samischen Muttersprache singt. Verzerrtes Gitarrenspiel hingegen ist das Markenzeichen des Osloer Gitarristen Terje Rypdal, der auch schon mit Jan Gabarek und Jack De Johnette auf der Bühne stand. Manche trauern auch der Rockband A-ha nach, die sich 2010 auflöste. Doch wem sagen schon Bands wie Airbag oder Mayhem etwas? Dem kann beim Besuch im Nationalen Museum für Popularmusik Rockheim abgeholfen werden. Gegenüber dem Gronauer Rock 'n Popmuseum besticht dieses Museum im Hafen von Trondheim durch „virtuelles Feuerwerk“ und den Einsatz von Hightech. Wer mit den zumeist versteckten digitalen Modulen nicht zurechtkommen sollte, der kann auf die stets freundlichen und hilfreichen Mitarbeiter des Museums bauen.

Mayhem, Mayhem ...

Gleich auf mehreren Etagen kann man es rocken lassen. In der 4. Etage befindet sich neben dem Restaurant, das einen Blick über Trondheim und den Trondheimjord erlaubt, auch die Mediathek. Eine Etage darunter laden der Hip-Hop-Raum zum Musikhören und temporäre Ausstellungen Besucher zum Verweilen ein. In der 5. Etage hingegen begibt man sich auf eine musikalische Zeitreise von den 1950er Jahren bis heute. Übrigens: An die Geschosszahlen muss man sich in Norwegen gewöhnen, denn ein Erdgeschoss gibt es dort nicht. In Norwegen spricht man statt dessen von erster Etage.

Auch Black-Metal-Freunde kommen beim Besuch von Rockheim dabei auf ihre Kosten, wenn sie den „Probenraum“ von Mayhem betreten. Geleerte Bierflaschen dekorieren den Raum ebenso wie die Bühne hinter Stacheldrahtverhau. Die Bühnendeko ist ansonsten eher puristisch. Man sieht ein Banner mit einem Pentagramm und schwarzen Sechsen sowie darüber den Bandnamen und ein auf dem Kopf stehendes Kreuz, wohl ein Zeichen für die Vorliebe für Satanisches. Ein Rinderschädel auf einer Lautsprecherbox zeugt überdies für gekonnte Provokation als Mittel, Aufmerksamkeit zu erlangen. Wer die Musik der Band hören möchte, schiebt Kassetten in einen Kassettenrekorder. Doch was nach Musikwiedergabe von vorgestern ausschaut, ist Hightech, denn die Musik ist auf einem Chip gespeichert, der auf den Kassetten befestigt wurde. Allein die Kakofonie und Lautstärke ist gewöhnungsbedürftig. Die Musik von Mayhem ist wahrlich nur etwas für Gothic-Jünger und Rammstein-Fans. Doch da sind ja noch Imperial und Emperor sowie Gorgoroth im Angebot. Wie wäre es denn? AC/DC oder Black Sabbath sind, das sei gleich angemerkt, gegenüber diesen norwegischen Heavy Metal-, Hard Rock- und Gothic Bands schlicht Waisenknaben. Doch zum Glück gibt es auch andere Klänge beim Besuch von Rockheim zu hören.

Musikgenuss mit Körpereinsatz

Ob es nun der Musiker Ganges ist, der Besucher durch die Ausstellung „begleitet“ und hier und da Tipps gibt, das kann, aber muss nicht sein. Musik-Clips auf den Wänden im „Sammlungsbereich“ sind nur aufgrund von aktiven Interaktionen abrufbar und zu stoppen, dazu muss man nur auf „markierten“ Stellen am Boden hin- und herspringen oder intensiv mit Armen und Händen wedeln. Ja, voller Körpereinsatz ist gefragt, will man die Musik von Saft, Per Asplin oder Anne Grete Preus hören, die heute eher lyrische Balladen singt, aber einst eine heiße Rocklady auf norwegischen Bühnen war. Hört man die Musik aus den 1960er Jahren, dann denkt man beim Zuhören an international erfolgreiche Bands wie die Beatles, die Searchers („Needles and Pins“) oder Gerry and the Pacemakers. Genauso klingt auch der Sound der norwegischen Bands jener Tage. Doch nicht nur diese Musik kann abgerufen werden, sondern auch die von Kari Bremnes. Bei deren Gesang ist der Anklang an norwegische und Sami-Folklore nicht zu überhören. Gemischt wird das Ganze zum Schluss mit modernen Beats und auch einem Schuss Melancholie. Schon mal von The Quivers gehört? Nein, dann muss beim Trondheim-Besuch unbedingt der Gang ins Rockheim eingeplant werden. Ohren auf für die Pussycats und „Boom Boom“, ein Song, in dem sich Blues und Rock 'n Roll die Hand reichten. Gewiss, man konnte also auch in Tromsø, woher die Pussycats stammen, den Saal rocken und kreischende Teenies glücklich machen.

Liverpool und London – dort traten die Vorbilder auf

Wenn man sich allein die Namen der norwegischen Bands der 1960er Jahre auf der Zunge zergehen lässt, man denke nur an norwegischen The Beatnicks, weiß man, wo die Vorbilder gesucht wurden: in Liverpool und London. Manche Bands schreckten wie die Quivers nicht davor zurück die Instrumentalmusik der Londoner Band The Shadows zu covern und waren bis 2005 mit ihrer Musik noch auf Tour.

Und wie klingt eigentlich Turboneger, der mit seiner Gesichtsmaskerade ein wenig an Alice Cooper und Kiss erinnert? Auch deren Punk-Hardrock kann man sich beim Besuch in Rockheim gönnen.

„Elvis“ macht auch in Norwegen Karriere

Gehen wir einen Schritt in der Musikgeschichte des Pop zurück, dann landen wir bei den 1950er Jahren, als es auch in Norwegen Elvis-Anhänger und -Imitatoren wie Per „Elvis“ Granberg gab. Letztere kamen zu Wettbewerben zusammen, die man heute in Neudeutsch als Battle bezeichnen würde. Der Raum für die Musik jener Zeit ist eine Garage, in der ein roter Straßenkreuzer steht. Das Kofferradio auf der Werkbank sorgt für die Unterhaltung. Über Bildschirme flimmern alte Filme, auch solche von den Winterspielen in Oslo 1952. Erinnert wird u. a. an „Ready Teddy“ von Per „Elvis“ Granberg. Das war eine der ersten Rock 'n Roll-Schallplatten, die in Norwegen auf den Markt kamen. Dass nicht jeder in jener Zeit einen Straßenkreuzer fahren konnte, unterstreicht ein tannengrünes Moped, das in einer Werkstattecke zu finden ist. Eine Musikbox lädt dazu ein, einige Scheiben von damals wieder zu hören, ob von The Platters, Gene Vincent, Buddy Holly oder eben besagtem Per „Elvis“ Granberg und Roald Stensby, der als skandinavischer King of Rock 'n Roll vermarktet wurde. Also dann mal los mit Rock around the clock und ein bisschen mit den Hüften geschwungen!

Kaum jemand außerhalb Norwegens wird wohl Grynet Molvig kennen, die wohl einer der ersten Popstars in Skandinavien war und bereits mit 12 Jahren als Sängerin ihr Debüt gab und im Samstagskinderradio zu hören war.

Man singt auch Norwegisch

Betreten wir anschließend einen Raum mit dem Wohnambiente der 1960er- und 1970er Jahre, so mag sich der eine oder andere angesichts der Einrichtung und einem ewig laufenden Fernseher mit Schwarz-Weiß-Bildern ganz wie Zuhause fühlen. Wollen wir in diesem Raum Videos sehen, die auf die Wände projiziert werden, dann müssen wir an den Wänden entlanggehen, um einen „Bilderwechsel“ zu erreichen. Man lässt gleichsam die Bildwände einstürzen, um sie dann neu aufzubauen. Auch an dieser Stelle begegnen wir wieder The Quivers und The Pussycats. The Vikings veröffentlichten eine Hymne auf den „Dovre Express“, die man beim Aufenthalt in diesem Teil der sehenswerten Schau auch hören kann. The Flames hingegen besingen „Argentina“. In den Schatten gestellt wurden all diese Popbands von den Rolling Stones, die im Juni 1965 Norwegen besuchten, woran in der Schau auch erinnert wird. Kaum zu glauben, dass gleichzeitig eine Band wie The Vanguards Schmusepop veröffentlicht. Gesungen wurde von The Vanguards im Gegensatz zu anderen norwegischen Popbands jener Zeit in Norwegisch.

Die Ausstellung widmet sich in einem Teil auch der technischen Entwicklung der von Rock- und Popbands benutzten Musikinstrumente. Darunter war auch das Mellotron M400S, mit dem man allerlei ungewöhnliche Sounds erzeugen konnte, und die Schecter-Gitarre.

Und zum Schluss lassen wir uns dann auch auf Knutsen & Ludvigsen ein und hören bei einer Aufnahme der Monroes rein, deren Musik von starken Bläsersätzen bestimmt ist. Happy Dance Music scheint das Motto dieser Band.

Man könnte noch stundenlang in Rockheim verweilen, doch irgendwann sind die Klangvielfalten zu viel. Also: Wiederkommen!

Informationen
http://www.rockheim.no/willkommen-im-rockheim/