Reiseführer Trondheim

Mittelalterliches Trondheim – eine Ausstellung im Wissenschaftsmuseum

Nur wenige Besucher von Trondheim wissen es: Im Wissenschaftsmuseum kann man einen Gang durch die Geschichte Trondheims unternehmen. Dabei beginnt man die Zeitreise im 9. Jahrhundert, als die Wikinger den Norden Europas beherrschten. Wikinger waren es auch, die Trondheim als Stadt gründeten. Damals hieß die Stadt jedoch anders: Kaupangen war der Name des Handelspostens an den Ufern des Nidelva und des Trondheimfjords.

Trondheim, Wissenschaftsmuseum

Fragment aus dem Portalbogenfeld der St. Olavs-Kirche, deren Ruine im Untergeschoss der SpareBank 1 zu sehen ist

Der Stadtgründungsvater Olav Tryggvason

Die Überlieferung will es, dass Olav Tryggvason, dessen Standbild auf dem Marktplatz von Trondheim zu finden ist, als Gründungsvater der Stadt angesehen wird. Archäologische Funde legen jedoch nahe, dass die Stadt bereits vor 997 entstanden ist, als in der Mitte des 10. Jahrhunderts dort wo heute Kongensgate und Sødre gate verlaufen, ein kleiner saisonaler Handelsposten entstand. Zu verdanken war dieser den „Wikingerfürsten“ von Lade. Andere Quellen legen nahe, dass dort, wo sich heute das Wissenschaftsmuseum befindet, ein Gehöft namens Nidarnes existierte, das als erste Besiedlungsspur gilt. Zu den frühen Funden, die man im Museum zu Gesicht bekommt, gehört unter anderem ein Teil eines Pferdegeschirrs, aber auch Gewandfibeln und Münzen. Unter Letzteren befinden sich auch solche von der Arabischen Halbinsel, die jedoch nicht von dort, sondern von der Wolga aus den Weg nach Skandinavien fanden. Ein kleiner Reliquienschrein aus Großbritannien verweist auf die zahlreichen Beutezüge der Wikinger, denn auf welchem Weg sonst sollte eine derartige Kostbarkeit nach Trondheim gelangt sein.

Grabbeigaben legen Zeugnis ab

Behandelt wird in der Ausstellung das Thema „Heidnische Religion und Gesellschaft“, in dessen Kontext auch die aus dem 9. Jahrhundert stammenden Goldtäfelchen stehen. Sie nahmen wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei offiziellen Zeremonien der „Wikinger-Häuptlinge“ ein. In norwegischen Sagas, so erfahren wir, ist an zahlreichen Stellen von den Wikinger-Oberhäuptern und einem Wikinger-Grab in Egge die Rede. In diesem fand man eine Waffensammlung ebenso wie Zaumzeug für Pferde sowie Kultgegenstände, die den Verstorbenen in die „neue Welt“ begleiteten. Unter den Funden waren auch diverse Schildbuckelfragmente. Man fand zudem Gewichte und eine zusammenlegbare Waage.

Um zu zeigen, wie sich die Bestattung von Männern und Frauen unterschied, hat man entsprechende Grabbeigaben gegenübergestellt, darunter auch ovale Broschen aus einem Frauengrab, aber auch Gerätschaften, die mit dem Kochen und Spinnen in Verbindung standen. Männergräber enthielten dagegen vor allem Waffen. Schließlich waren die Wikinger nicht nur Landmänner, sondern vor allem Krieger, die mit ihren Schiffen auf Beutezüge in ferne Länder zogen, aber auch in Haithabu im Schleswig-Holstein eine Siedlung gründeten, ehe sie ihre Schiffe über Land schleppten, um die Nordsee und dann die Britischen Inseln zu erreichen.

Wikinger waren Seefahrer

Ein wahrer Hingucker ist während des Rundgangs die Kopie eines Vorderschiffs, das nahe Roskilde ausgegraben wurde. Im Original war dieses Wikingerschiff 18 Meter lang und mit 26 Ruderern bemannt. Ein weiteres Highlight der Ausstellung ist der sogenannte Kuli-Stein, der auf der Insel Kuløya, südwestlich von Trondheim gelegen, entdeckt wurde. Dieser Runenstein markierte wahrscheinlich eine Art Fußsteig aus Holzbohlen und Ästen zur Überbrückung eines sumpfigen Straßenstücks. Aufgrund dendrologischer Untersuchungen wird der Runenstein auf das Jahr 1034 datiert. Die Inschrift des Steins lautet: „Thorir und Hallvard stellten diesen Stein zum Andenken an Ulfljotr (?) auf … Das Christentum war seit zwölf Wintern in Norwegen…“.

Trondheim, Wissenschaftsmuseum

Die Holzstatue des hl. Olav aus der Kirche von Grong

Der heilige Olav

So muss man annehmen, dass seit dem 11. Jahrhundert Norwegen christianisiert war, also einige Jahre nach der legendären Schlacht von Stiklestad, in der Olav Haraldsson, der später heiliggesprochen wurde, sein Leben ließ. Aus der Zeit des Heiligen stammt ein Hortschatz, den man bei Ausgrabungen beim Hauptpostamt im Jahr 1950 barg. Er wog beachtliche 1,2 Kilo und enthielt 964 Silbermünzen, aber auch zwei Silberkruzifixe. Teile des Münzschatzes – wie bereits oben erwähnt - enthielten Münzen mit arabischer Kalligrafie und deutsche Pfennige. Zu sehen ist aber auch die Skulptur des heiligen Olav aus der Kirche von Grong, die um etwa 1300 im gotischen Stil geschnitzt wurde.

Fragmente von Kleidung, Kochgerät, Lampen, Holzschüssel und Holzlöffel sind Funde, die sich auf den Alltag der Trondheimer im 11. Jahrhundert beziehen, als Trondheim möglicherweise nicht ständig bewohnt war. Unter den Fundbesonderheiten ist auch importierte Seide, sodass vermutet werden kann, dass Handelsbeziehungen oder Beutezüge auch die Seidenstraße bzw. den Vorderen Orient einschlossen. Dass der Handel durchaus reguliert war, unterstreicht ein Kerbholz, eine mittelalterliche Zählliste, um Soll und Haben zwischen Handelspartnern festzuhalten.

Die Kirche ist in Trondheim allmächtig

Im Zuge des Wachstums der Stadt entstanden zahlreiche Kirchenbauten wie St. Clemens, St. Olav, St. Gregor und die Christuskirche. An St. Clemens erinnert hinter der Stadtbibliothek eine Gedenktafel, da dieser Kirchenbau längst aus dem Stadtbild verschwunden ist. Mittelalterliche Kirchenruinen findet man bis heute jedoch im Untergeschoss der SpareBank 1 in der Søndre gate und in der Stadtbibliothek.

Hinzuweisen ist auf ein Marmorkreuz, das einst nahe des Palasts des Erzbischofs und der Kathedrale den Stadteingang markierte. Es war als Zeichen für die Pilger gedacht, die so wussten, dass sie ihr Ziel, die Nidaros-Kathedrale mit der Grablege des hl. Olav erreicht hatten. Zugleich markiert das Kreuz auch den Zugang zum Sitz des Bischofs im damaligen Trondheim.

Warum zeigt man im Kontext des Kapitels „Kirche in Trondheim“ eigentlich Walross-Schnitzereien? Die Antwort: Das liegt daran, dass die Kirche auf derartiges Elfenbein Kirchensteuer erheben durfte. Und die Kirche war in Trondheim nicht nur wegen des Bischofssitzes mächtig. Innerhalb der Stadt gab es 15 Kirchen, Abteien, Kapellen und Männer- wie auch Frauenklöster. Unterdessen sprach man nicht mehr von Kaupangen, sondern von Nidaros, insbesondere zurzeit der Regenschaft von König Sverre, der in der Auseinandersetzung mit König Magnus die Oberhand behielt. Die Festung König Sverres ist mitten im Freilichtmuseum Sverresborgzu sehen.

Trondheim, Wissenschaftsmuseum

In den Gassen des mittelalterlichen Trondheim

In den mittelalterlichen Gassen Trondheims

Wie das mittelalterliche Trondheim im 12. Jahrhundert einmal ausgesehen haben mag, hat man im Museum inszeniert. Grundlage dafür waren zahlreiche Ausgrabungen, die Reste von Blockhäusern zutage förderten. Solche Häuser hat man dann im Museum zu einer Trondheimer Gasse zusammengestellt. Betritt man sie, so hält eine Bettlerin dem Besucher ihre gestreckte Hand hin, um eine milde Gabe zu erbitten. Aus einer der Hütten dringt Gesang. Frauen haben sich um eine Kochstelle versammelt. Eine von ihnen hütet ihr kleines Kind. Eine alte Frau schleppt ein Holzbottich ins Innere des Hauses, während ein Mann sich im Schatten der Hütten zu verbergen scheint. Nein, er ist kein Dieb, sondern er führt erlegtes Wildbret und eine Ziege mit sich. Hatte er vor, sie meistbietend zu verkaufen?

Trondheim, Wissenschaftsmuseum

Eine "Trondheimerin" aus dem Mittelalter, der wir beim Besuch der Mittelalter-Ausstellung im Wissenschaftsmuseum begegnen

Eigentlich kann man mit dieser Inszenierung seinen Besuch beenden, es sei denn, man ist an Alltagsfunden interessiert, die das Kapitel „Alltagsleben in der mittelalterlichen Stadt“ illustrieren. Behandelt werden in der sehenswerten Präsentation aber auch die Kapitel „Reformation“ und „St.-Olav-Kult“. Zudem wird der Stadtbrand von 1681 thematisiert, der zwölf Stunden dauerte und lediglich die Liebfrauenkirche, den Nidaros-Dom und die Königliche Residenz verschonte. Abschließend befasst sich die Ausstellung mit Trondheim im 17. und 18. Jahrhundert.

Informationen

Wissenschaftsmuseum der NTTU
http://www.ntnu.edu/museum/medieval-trondheim