Die Karpaz-Halbinsel

Karpaz

Wer einmal die entlegene Halbinsel besucht hat – leider oft mit wenig Zeit im Gepäck – wird sich zu den Glücklichen zählen. Das freundliche Hügelland ist eine kleine Welt für sich, still, malerisch, alle Sinne berührend. Es scheint, als verharre hier die Zeit, pausiere der rasende Puls der Gegenwart. Nirgendwo sonst in Zypern sind die Sandstrände so weitläufig und menschenleer, birgt die Erde mehr verborgene Schätze und wo sonst gibt es im Frühjahr so üppige Blumenwiesen? Wem der Sinn nach Ruhe steht, wer die Natur erfahren will, das Wandern liebt und gerne den Spuren der Geschichte folgt, dabei auf verschwenderischen Hotelkomfort verzichten kann, der sei zu einem Ausflug auf die ferne Halbinsel ermuntert, einem der wenigen noch unverfälschten Landstriche am östlichen Mittelmeer.

Die letzten Ausläufer der grandiosen Bergkette, die das nördliche Ufer Zyperns so ausdauernd begleitet, flachen sich am Eingang zur Karpaz-Halbinsel zu dicht bewaldeten Buckeln ab. Kleine begrünte Hochflächen und schmale Felsplateaus prägen nun das Landschaftsbild. Darin eingebettet finden sich vereinzelt weite Ebenen im Wechsel mit kleinen Senken oder engen Tälern, die sich zum Meer hin öffnen. Wo die fruchtbare, rotbraune Karpazerde fehlt, tritt blendend weißer Kalkstein oder brauner Sandstein an die Oberfläche. Und das Meer ist immer in Sicht.

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Kapelle Panagia tis Kyrás

Von Ort zu Ort

Wer aus dem Raum Girne der Küstenstraße nach Osten folgt, passiert nach etwa 35 km die Zufahrt nach Tatlisu mit der archäologischen Stätte Tatlisu-Çiftlikdüzü und nach weiteren 3 km rechter Hand die Kirche Panagia Pergaminiotissa. Von dort sind es noch ca. 12 km bis zum Anstieg zur Burg Kantara in Höhe des Dorfes Kaplica. Wieder zurück auf der Küstenstraße folgen wir nach wenigen Kilometern den Wegweisern nach Büyükkonuk, dem Zentrum eines bedeutenden Olivenanbaugebiets mit einer sehenswerten alten Olivenpresse. B. versteht sich als Öko-Dorf, wo traditionelle zyprische Handwerksarbeiten ausgestellt und verkauft werden: Schöne Stickerei-, Web-, Flecht-, Knüpf- und Holzarbeiten und auch landwirtschaftliche Produkte wie Olivenöl, Honig, Säfte und Marmeladen. Mit dem Abstecher nach Büyükkonuk haben wir die gut ausgebaute Straße parallel zur Küstenlinie verlassen und folgen nun der Route durch das Landesinnere. Wir werden die Küstenstraße auf der Rückfahrt wieder nutzen.

Auf schmaler Straße geht es von Büyükkonuk nach Sazliköy, einem kleinen Dorf, in dessen Nähe sich die Kapelle Panagía tis Kyrás an den Fuß eines langgestreckten Hügels schmiegt. Über Mehmetçik führt die Route bei Kumyali auf die Hauptschlagader des Karpaz.

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Mitbringsel aus Büyükkonuk

Besucher aus dem Raum Famagusta und aus Lefkoşa (Nicosia-Nord) werden über Boğaz die Halbinsel erreichen und vielleicht in Çayirova ihre Fahrt unterbrechen. Hier wurde vor einigen Jahren in einem restaurierten Schulhaus ein Zentrum für das Studium und die Herstellung der traditionsreichen Lefkara-Spitze eingerichtet. Aufsehen erregte im Herbst 2002 der Fund einer Statue männlichen Geschlechts, eines sog. „kouros“ von fast 2 m Größe, den man der kypro-archaischen Zeit zuordnet. Im Mai 2004 kam erneut eine antike Figur ans Tageslicht, diesmal war es der steinerne Torso eines noblen Römers. Aber Çayirova ist nur ein Fall von vielen.

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Zwei überlebensgroße Statuen südlich von Agios Thyrsos

Exkurs: Verborgene Schätze

Nach Nitovikla und Kaleburnu

Einige Kilometer folgen wir nun der Hauptstraße, passieren Kumyali mit seinem kleinen Fischerhafen sowie Bade- und Campingmöglichkeiten am Sandstrand. Schon im Tabakdorf Ziyamet verlassen wir die Karpazmagistrale wieder und fahren auf einer Nebenstraße zur Kirche der Panagia Kanakaria in Boltaşli. Weizenfelder, Oliven- und Johannesbrotbäume bedecken das sanfte Hügelland ringsum. Man weiß von bronzezeitlichen Siedlungen Richtung Südküste. Das Dorf Avtepe trägt seinen Namen schon seit dem 18. Jahrhundert, als es von Türken besiedelt wurde, denen man nachsagte, sie seien in Wirklichkeit sog. „Linovamvaki“ gewesen, Anhänger eines eigenartigen Mischglaubens aus christlichen und muslimischen Elementen. Das 200 m hoch liegende Dorf kann etwa einen Kilometer abseits mit einer spektakulären Sehenswürdigkeit aufwarten, die nichts für Untrainierte oder Nervenbündel ist. Am klügsten wäre es, sich mit der Information zufrieden zu geben, dass hoch im Fels eine bemerkenswerte Grabkammer liegt, die nur unter nicht vertretbaren Risiken zu erreichen ist. Kuruova, ein kleines Nest mit vielen unidentifizierten antiken Ruinen in der Nachbarschaft, ist Ausgangspunkt für einen Besuch der bronzezeitlichen Überreste von Nitovikla, einer Fluchtburg vermutlich. Um ihr überwuchertes Gelände in unmittelbarer Meeresnähe überhaupt auffinden zu können, empfiehlt sich die Mitnahme eines Ortskundigen aus Kuruova und der fahrbare Untersatz sollte schon Allradantrieb haben.

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In Boltasli: Panagia Kanakariá

Am Ende der südlichen Karpazstraße, auf dem Ostabhang eines Bergrückens, liegt das große, seit Jahrhunderten zyperntürkische Dorf Kaleburnu.

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Am Strand von Yeni Erenköy

Inzwischen gibt es eine rund 15 km lange und gut befahrbare Straße von Kaleburnu nach Dipkarpaz. Wer diese landschaftlich schöne Route vielleicht auf dem Rückweg fahren möchte, kann von Kaleburnu die Halbinsel überqueren und nahe der Nordküste das fast kleinstädtisch anmutende Yenierenköy ansteuern. Der Ort liegt auf einem Plateau oberhalb der hier sehr breiten und fruchtbaren Küstenebene. Waren früher Tabak und Kolokaz, Johannesbrot und Oliven die Stützen der Wirtschaft, sind es heute die gute Infrastruktur und etwas Kleingewerbe, auch noch die Landwirtschaft, die Yenierenköy zu einem wenn auch bescheidenen wirtschaftlichen Zentrum der Region machen.

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Der Hafen von Yeni Erenköy

Yenierenköy`s kommunaler Strand („Halk Plaji“) mit Restaurant und allen notwendigen Einrichtungen ist erfreulich gepflegt und auch der 3 km entfernte „Malibou-Strand“ mit angrenzendem Fischerhafen, in dem ein Dutzend Fischerboote dümpeln, ist schön gelegen, sauber und wird professionell bewirtschaftet.

Exkurs: Strände, Hotels und Tourismusträume

Auf dem Weg nach Dipkarpaz

Von den Stränden Yenierenköys ist es nur ein Katzensprung nach Sipahi südlich der Küstenstraße. Das kleine Dorf liegt auf einem Plateau 150 m über dem Meer. Man baut Gemüse und Tabak an. Weinreben hier und da und Haine von Oliven-, Mandel- und Johannesbrotbäumen formen eine geradezu bukolische Landschaft, in der sich ein frühbyzantinisches Kleinod verbirgt, die Reste der Basilika Agía Triás mit ihren phantastischen Mosaiken.

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Reste der Basilika Agias Trias mit ihren phantastischen Mosaiken in Sipahi

Zurück auf der Küstenstraße, die nun meist in Meereshöhe verläuft, liegt am Wege die Kirche Agios Thyrsos. Griechische Besucher bestücken sie eifrig mit Kerzen und Votivgaben. Bedeutsamer als die noch recht neue Kirche ist für die Gläubigen aber das gegenüber am Meer gelegene, in eine Kapelle verwandelte Grab des hl. Thyrsos, das eine Felsspalte mit einer Quelle birgt. Ihr werden magische Kräfte nachgesagt. Kinderbegehrende Frauen wallfahrten früher häufig hierher. Auf den nächsten Kilometern folgen schöne Strandabschnitte, dann eine unscheinbare Abzweigung zum ehemaligen Kloster Panagia Eleoúsa in den nahen Bergen. Ein Besuch dort lohnt eigentlich nicht. Die Gebäude sind in schlechtem Zustand. Interessant ist, dass die nach Agios Tyrsos wallfahrenden Frauen, die sich dort nach altem Brauch auf den linken Oberschenkel schlugen, auch die Panagia Eleoúsa besuchten und sich bei ihrem Anblick auf den rechten Schenkel schlugen, angeblich deshalb, weil die Panagia ihr Kind in dieser Kirche auf dem rechten Arm trage.

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Reste des Klosters Eleoussa zwischen Dipkarpaz und Yeni Erenköy

Nördlich der nun landeinwärts biegenden Straße könnte man an einem weiteren schönen Sandstrand pausieren. Doch die weit gestreuten Häuser von Dipkarpaz schieben sich schon ins Blickfeld. Wo sich Kirche und Moschee gegenüberstehen, ist sein Ortszentrum. Es sind nur ein paar Minuten Fahrt zum schönen Flecken Agios Philon unterhalb von Dipkarpaz an der Nordküste. Hier und einige Kilometer östlich, an einem Ort, der Aphendrika genannt wird, träumen pittoreske Kirchenruinen von ihrer großen Zeit.

Exkurs: Historisches Entscheidungsfeld

Zum Andreas-Kloster und ans Ende der Welt

Wenn die letzten Häuser von Dipkarpaz zurückbleiben, wird es einsam. Zwischen dem Großdorf und der östlichen Spitze Zyperns gibt es keinen Ort mehr. 22 km auf mehr oder weniger ausgeprägter Schlaglochpiste und 5 km unbefestigte Schlussetappe führen zum Zafer Burnu, einem felsigen Kap, das im Altertum unter dem Namen Dinaretum bekannt war. Die abgegriffene Wendung „Natur pur“ hat in dieser Landschaft noch ihre Berechtigung. Idyllische Strandbuchten und Dünenlandschaften wechseln sich ab mit rundbuckligen, dicht bewachsenen Hügeln, dazwischen liegen Senken mit Getreidefeldern. Pinienhaine und Zwergzypressen, Johannesbrot- und Ölbäume, Myrtenbüsche und die roten Stämme des Erdbeerbaums begleiten den Weg hinaus an die Spitze. Millionen von Zugvögeln rasten hier und gar nicht so selten sind unverhoffte Begegnungen mit verwilderten Eseln.

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Eindrucksvolle Strandszene: Golden Beach

Nach knapp zwei Dutzend Kilometern liegt zur Rechten das weite Gelände des Andreas-Klosters. Aus der schmalen Teerstraße wird nun eine Sand- und Schotterpiste. Voraus erhebt sich der Felsen, der das Landende Zafer Burnu markiert. In der Antike soll ihn ein Tempel der Aphrodite Akraia gekrönt haben und auf einer seiner Felsterrassen, einem Platz, den die Archäologen Kap Andreas-Kastros nennen, liegen die kaum noch erkennbaren Überreste einer neolithischen Siedlung. In der Verlängerung der Landspitze schließlich, reihen sich die unbewohnten Felseilande, die Klidhes (griech. „Schlüssel“, türk. Kilit Adalari, „Schlüssel-Inseln“) auf.





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