Reiseführer Rom

Addio Borsalino ?

Ende 2017 ging ein Aufschrei durch die Modewelt, setzte sich in Prominentenzirkeln und unter Hollywoodgrößen fort, ergriff selbst Namenlose und Feuilletonisten nicht allein italienischer Blätter beugten sich erschüttert über ihre Laptops, um wehmütige Nachrufe auf ein Glanzstück der italienischen Modeszene zu verfassen, auf den Borsalino-Hut. Er stand vor dem Aus. Ein italienisches Gericht hatte zum zweiten Mal einen Vergleichsantrag der Hersteller abgelehnt.

Rom: Borsalino

Nun war das keine ganz neue Situation. Seit die Gründerfamilie Borsalino sich 1987 zurückgezogen hatte, durchlebte das traditionsreiche Hut-Imperium, das 1857 im norditalienischen Alessandria gegründet wurde und in früheren Glanzzeiten Tausend Arbeiter beschäftigte und jährlich 750.000 Hüte produzierte, dramatische Zeiten: Windige Politfiguren verschafften sich Einfluss, blieben aber im Zuge der landesweiten Korruptionsermittlungen 1992 auf der Strecke, 2000 war ein gewisser Marco Marenco am Ruder, der durch illegale Geldtransfers in Steuerparadiese aufflog und ins Gefängnis wanderte. Dann versuchte es ein italienisch-schweizerischer Fonds namens Haeres Equita, der die Namensrechte erwarb, die Fabrik mietete, um sie irgendwann für ein Spottgeld zu übernehmen. Jetzt spielte die italienische Justiz nicht mehr mit wegen Umgehung der Konkursregeln, auch sei der Kauf der Namensrechte nicht o. k., denn, wollte man die Fa. Borsalino als Ganzes versteigern, wäre sie ohne Namensrechte nicht viel wert.

Ob die Firma überleben wird, ist offen. Gewerkschaftler versuchen Druck zu machen, um die noch 134 Arbeitsplätze zu erhalten. Und sie machen sich Mut mit der Parole „Borsalino wird nicht untergehen“. Das hofft natürlich auch der gut betuchte Kundenstamm überall in der Welt. Es sind längst nicht mehr so viele wie in früheren Jahrzehnten, als die „schönen, weichen, weiten Krempen und die hohen Hut-Körper mit dem eleganten Kniff vorne“ jeden behüteten, der etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte. Winston Churchill etwa oder James Stewart und Franklin D. Roosevelt, später auch François Mitterand. Auch Al Capone versuchte sich an einem Borsalino, doch er kam damit nicht zurecht. Man darf ihn nicht einfach aufsetzen, man muss ihn tragen können, dazu fehlte ihm wohl die gewisse Lässigkeit. Besser gelang das Robert De Niro als Al Capone in „Die Unbestechlichen“. Borsalino trugen Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann in „Casablanca“, Alain Delon und Jean-Paul Belmondo „in einem als Kinokrimi verkleideten Werbespot namens Borsalino“, Ernest Hemingway, Nicole Kidman, Madonna und Robert Redford, Federico Fellini und ein anderer großer Regisseur, Paolo Sorrentino, der „La Grande Bellezza“ schuf. Auch Michael Gorbatschow fand Gefallen am Borsalino und ein Großteil der römischen Kleriker zählt zur Stammkundschaft.

Und was macht den „Borsalino“ so einzigartig? Wie ein Schriftzug im Innenfutter mitteilt, handelt es sich bei ihm um Qualità Superiore. Die Herstellung ist aufwändig und noch immer mit viel Handarbeit verbunden. Die zarte Unterwolle von Hauskaninchen und australischen Wildkaninchen und auch Biberhaare werden mit vielen Wasser- und Dampfbädern zu einem dicken Filz geformt, durchwandern ein Farbbad, bekommen einen scharfen Rundumknick, werden beschnitten, schließlich mit einer Bordüre eingefasst, es folgen Futter, äußeres Hutband und das Schweissband aus Maroquin-Leder. Die Prachtstücke in Schwarz, Grau, Braun und Dunkelblau (andere Farben sind verpönt) sind nun versandfertig und für die Sommersaison gibt es noch ein Extramodell aus geflochtenem, luftigem Stroh. Rund 200.000 Hüte verließen bis vor kurzem noch jährlich das Stammwerk in Alessandria und etwa die gleiche Zahl produzierten Lizenznehmer und Lohnfirmen nach den strengen Regeln des Mutterhauses Borsalino. Dessen Begründer, Giuseppe Borsalino, starb 1900. Er hinterließ ein florierendes Unternehmen und eine Reihe fortschrittlicher sozialer Einrichtungen wie Schulen für die Kinder seiner Arbeiter, Pensionskasse, Krankenkasse und Unfallversicherung. Und er hatte Qualitätsstandards gesetzt, was die Haltbarkeit und unnachahmliche Eleganz seiner Hutkreationen betraf. Der Borsalino, so ein Bewunderer, war und ist kein Kleidungsstück. Er war und ist: eine Investition.





Das könnte Sie auch interessieren

.