Garibaldi
Garibaldi
(Stich aus dem Lehrbuch der Weltgeschichte von William Rednbacher, 1890)
Als „Held zweier Welten“ (Eroe dei due Mondi), der in Südamerika wie in seiner italienischen Heimat für Freiheit und Unabhängigkeit ins Feld zog, vermochte er die bürgerlichen Schichten zu begeistern und auch unter Europas Intellektuellen konnte er viel Unterstützung mobilisieren, sei es von Victor Hugo, George Sand oder Alexandre Dumas. Für die Medien der Zeit waren seine militärischen Schachzüge und diplomatischen Fauxpas, seine krachenden Niederlagen und triumphalen Siege, die Liebschaften und plötzlichen Rückzüge ins Private große Themen, die weidlich ausgeschlachtet wurden. Sein Ruf als draufgängerischer und gewiefter, wenn auch höchst eigensinniger Heerführer bewog das Vereinigte Königreich und sogar die Vereinigten Staaten, ihn mit finanzieller und logistischer Hilfe auszustatten – nicht ohne Eigennutz, versteht sich, der auch bei allen anderen Machenschaften fremder Mächte im Italien des Risorgimento die Hauptrolle spielte.
Für die radikalen Ideen des Vordenkers der italienischen Einigung, Giuseppe Mazzini, schlug sich der damals 27jährige überzeugte Republikaner Garibaldi erstmals 1834 in einem kläglich gescheiterten Aufstand im Piemont gegen die französische Besatzung. Er wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt, floh nach Tunesien und ging von dort ins südamerikanische Exil.
Er kämpfte in Brasilien, Uruguay und Argentinien, mischte in Bürgerkriegen mit, arbeitete kurzzeitig als Lehrer und Kaufmann und schuf eine Freiwilligentruppe, die „Italienische Legion“. Und er begegnete der Brasilianerin Ana Ribeiro da Silva, die als Anita in Montevideo seine Frau wurde. Als gewandte Reiterin und bestens vertraut mit der Gauchokultur, verhalf sie Garibaldi zu seinem neuen Markenzeichen: Rotes Hemd („Rothemden“ wurden seine Anhänger später genannt), Poncho und Sombrero.
Anita Garibaldi
(Foto eines unbekannten Fotografen)
Nach vierzehn Jahren im Exil kehrte er 1848, angespornt von den revolutionären Vorgängen in Europa und den vermeintlichen Reformansätzen des neuen Papstes Pius IX. mit einigen sechzig Kämpfern seiner „Legion“ nach Italien zurück und ging nach Rom, um der von Mazzini ins Leben gerufenen Römischen Republik (Repubblica Romana) als Oberkommandierender beizustehen. Sie war im Februar 1849 proklamiert worden, nachdem Papst Pius IX. geflohen war. Papsttreue französische und spanische Truppen begannen im Juni mit der Belagerung Roms. Der Gianicolo-Hügel wurde zum Zentrum der Kampfhandlungen. Anfangs konnten die Angriffe noch zurückgeschlagen werden, dann setzte sich die militärische Überlegenheit der Papsttreuen durch. Am 3. Juli besetzten sie die ganze Stadt und stellten die päpstliche Macht wieder her. Auf dem Gianicolo werden Wege und Plätze mit Reihen von Portraitbüsten der Akteure Garibaldis gesäumt und ihm selbst wurde 1895 an der höchsten Stelle des Hügels ein Reiterdenkmal errichtet und nahebei auch seiner Frau Anita. Beide entkamen mit einigen Hundert Getreuen den Verfolgern und fanden vorübergehend in der Republik San Marino Unterschlupf. Auf der Flucht Richtung Venedig, der letzten in der Hand der Revolutionäre verbliebenen Republik, kam Anita bei Comacchio im Po-Delta zu Tode. Sie war schwanger mit dem fünften gemeinsamen Kind.
Via delle Carrozze 60: „In diesem Haus erlebten Giuseppe und Anita Garibaldi den Untergang der Römischen Republik vom 26. Juni bis 2. Juli 1849.“
Garibaldi schiffte sich nach New York ein, bekam dort das Kommando über ein Handelsschiff, lief Nicaragua an und Peru, dann China und Australien, Chile und wieder die USA. Nach fünf Jahren Exil war er 1854 zurück in der alten Heimat und bewirtschaftete in den folgenden fünf Jahren sein Landgut auf der Sardinien vorgelagerten kleinen Insel Caprera.
Doch als ein neuer Waffengang gegen Österreich anstand, das noch Ländereien im Nordosten Italiens besetzt hielt, war er wieder dabei. Dank seiner militärischen Erfahrung kommandierte er als Generalmajor mit einigem Erfolg ein Freiwilligencorps.
Er setzte zunehmend seine Hoffnungen auf das fortschrittliche Königreich Piemont-Sardinien, das sich als Keimzelle eines vereinten Italien verstand. Von dort gab es auch keine Einwände, als Garibaldi 1860 von Genua mit nur 1.000 erprobten Haudegen (i Mille) und dem preußischen Offizier Wilhelm Rüstow als seinem Generalstabschef auf zwei Schiffen nach Süden in See stach, um das „Königreich der Zwei Sizilien“ unter seinem Bourbonenkönig anzugreifen. Sizilien war schnell von der Fremdherrschaft befreit, auch Neapel fiel und schon wollte er das ihn umtreibende Thema „Rom und die Herrschaft der Päpste“ im Handstreich erledigen, als der piemontesische König Vittorio Emanuele II. (der im Jahr darauf Italiens König werden sollte) ihn bremste, um einen Konflikt mit Frankreich, das sich in der Rolle des Papstbeschützers sah, zu vermeiden. Zwischen König und gefeiertem Revolutionär kam es zu einer denkwürdigen Begegnung, in deren Verlauf Garibaldi sein berühmtes „obbedisco“ (ich gehorche) verkündete, um sich dann grollend nach Caprera zurückzuziehen.
Neapel und Sizilien schlossen sich Piemont-Sardinien an, aber in Venedig regierten noch die Habsburger und der Kirchenstaat schob sich wie eh und je einem Riegel gleich quer durch das Land und das ließ den eigenwilligen Rebell auf Caprera nicht ruhen. Noch zweimal versuchte Garibaldi auf eigene Faust die letzten Bastionen der Restauration zu eliminieren, wobei es ihm leicht fiel, die alten Kämpfer nochmal zu den Waffen zu rufen. Doch es war nicht sein Charisma, gepaart mit militärischem Können, sondern der 1866 ausgehandelte Frieden von Wien, der den Beitritt Venedigs zu Italien ermöglichte. Und Garibaldi war auch nicht dabei, als die Truppen des jungen italienischen Königreichs vor Rom standen und am 20. September 1870 die „historische“ Bresche bei der Porta Pia in die Aurelianische Mauer schossen und damit das Ende des Kirchenstaats als Territorialmacht besiegelten.
Das tat seinem Ruhm keinen Abbruch. Für die Italiener war er der charismatische Held der Einigungsbewegung. Er starb 1882 auf Caprera.