Reiseführer Rom

Tour 8: Jenseits des Tiber

Bummeln in Trastevere und auf dem Gianicolo-Hügel


Hinter dem Platanengürtel, der die Ufer des Tiber durch die Stadt begleitet, liegt in Höhe der Synagoge und des Marcellus-Theaters wie ein auf Grund gelaufener Lastkahn die Isola Tiberina, die einzige Tiberinsel im Stadtgebiet. Aus Roms centro storico gelangt man über den Ponte Fabricio (1) auf das schmale Eiland und der Ponte Cestio (2) bringt uns hinüber auf die andere Flussseite nach Trastevere. Flussabwärts ragt der letzte erhaltene Brückenbogen des uralten Ponte Rotto („kaputte Brücke“) (3) aus dem trüben Wasser und flussaufwärts, jenseits des Ponte Garibaldi, lagert der nur Fußgängern vorbehaltene Ponte Sisto (4) auf den Fundamenten einer antiken Brücke, die winterliche Tiberfluten vor mehr als tausend Jahren davonspülten.

"Zur Zeit Clemens VIII. stieg der Tiber, aufgewühlt durch heftige Südwinde,
am 24. Dezember 1598 bis hierher"

"Zur Zeit Clemens VIII. stieg der Tiber, aufgewühlt durch heftige Südwinde,
am 24. Dezember 1598 bis hierher"

Trastevere (5), der Stadtteil auf der anderen, der weniger bekannten und früher arg verschrieenen Seite des Tiber, verdient sein eigenes Kapitel. Nicht, weil Trendsetter ihn vor einiger Zeit zum angesagten Viertel erklärten, das sich nun angeblich heftig um seine Schlüsselstellung mit anderen „Trendvierteln“ wie San Lorenzo oder Testaccio balgt. Viel aufregender sind die Ereignisse, die diesen Stadtteil in den letzten zweitausend Jahren in Atem gehalten haben, seine architektonischen Schätze, die Straßen, Gassen, Winkel und die „Trasteverini“, die sich als „Romani di Roma“ verstehen, als die wahren, echten Römer. Uns Zugereisten begegnen sie hin und wieder noch mit dem eigenwilligen römischen Dialekt, dem „Romanesco“, und sie überraschen uns mit einer traditionellen Küche, wie man sie kaum sonst in Rom noch erleben kann.

Treffpunkt Brunnen (Rom)

Trastevere war ein fürchterlich armes Viertel, auch schon in antiker Zeit, als hier mittellose Einwanderer aus Roms östlichen Kolonien, viele Juden und freigelassene Sklaven und Kriegsgefangene angesiedelt wurden. Immerhin durften die sesshaft gewordenen Fremden ihre verschiedenen orientalischen Kulte öffentlich praktizieren, siedelten sie doch außerhalb der damaligen Stadtgrenzen. Sie lebten vom Tiber, seinem Hafen, dem Warenumschlag und gründeten kleine Geschäfte und Werkstätten. Als die städtischen Häfen ihren Betrieb wegen der Kanalisierung des Tiber im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts einstellen mussten, vervielfachte sich das Heer der kleinen Gemüse- und Lebensmittelhändler. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein blieb Trastevere ein Stadtteil der Arbeiter und Kleingewerbetreibenden, die in bescheidenen, oft schon sehr heruntergekommenen Häusern lebten, die immer nur notdürftig repariert, aber nur selten von Grund auf restauriert wurden. Aus der Sicht der durch Trastevere streifenden Besucher macht das den Reiz des Quartiers aus! Denn wo sonst in der Stadt gibt es noch so viele kleine Häuser mit mittelalterlichem Flair in einem Labyrinth von Gassen.

Es wird wohl so gewesen sein, dass in den 50er und 60er Jahren „fast sechzig Prozent der ursprünglichen Bewohner Trastevere verließen“, wie Joachim Fest in seinen Notizen aus den siebziger und vom Anfang der achtziger Jahre festhielt („Im Gegenlicht“, 1988), „als Künstler, Schriftsteller und Manager den Reiz der Vorstadt entdeckten“ und die Preise in die Höhe trieben. Von „Mauern wie vom Aussatz befallen“ ist zu lesen, „von Müllsäcken verstopften Gassen, stallähnlichen Behausungen, Geruch von Abwässern, Urin, Armut, mehr Hunden als Katzen“.

Fressgasse im abendlichen Gegenlicht (Rom)

Fressgasse im abendlichen Gegenlicht

Das war einmal! Zwar sind die Gassen unverändert eng und manche Häuserzeilen winzig, doch die unappetitlichen Zutaten gehören längst der Vergangenheit an. Nach Trastevere, in das einst von bitterer Armut geprägte Viertel, in „das Dorf in der Stadt“ mit seinen romantischen kleinen Plätzen und verwinkelten Sträßchen zieht es jeden Rombesucher und sei es nur für einen kurzen Abstecher. Besonders viel Trubel herrscht am Wochenende, wenn in der großen Stadt offenbar alle heimischen Küchen kalt bleiben und die hungrigen Römer nach Trastevere strömen, in ihrem Schlepptau die Touristen. Es ist dann laut und bunt hier, überall vielsprachiges Stimmengewirr, eine untergehende Sonne taucht die Fassaden ein letztes Mal in weiches Licht, ehe Lampen und Strahler ihren Dienst aufnehmen und es duftet nach römischen Spezialitäten, nach „Spaghetti Cacio e Pepe“, wo Pecorino und Pfeffer die Hauptrolle spielen oder nach unwiderstehlichem „Coda alla vaccinara“, dem Ragout vom Ochsenschwanz.

Restaurant in Rom

Das ist die eine Seite des Viertels, wo der einheimische Frascati in Strömen fließt und die Zugereisten nicht von den hauchdünnen Pizzen lassen wollen, wo Straßenmusikanten unentwegt Italiens weltbekannte Ohrwürmer spielen und man sich trifft, um entspannt den Abend ausklingen zu lassen.

Trilussa-Brunnen in Trastevere

Sommerabend am Trilussa-Brunnen in Trastevere

Wer ein wenig hinter die Kulissen sehen will, die alten Kirchen und Palazzi, die Märkte und versteckten Winkel kennenlernen möchte, sollte möglichst früh am Tag in Trastevere unterwegs sein, wenn sich die Aufgeregtheiten vom Vorabend gelegt haben und nicht mehr Menschenmassen die Gassen verstopfen.

Blick vom Gianicolo

Blick vom Gianicolo

Das alles überblickt souverän der Gianicolo (6), der höchste unter den anmutig bewachsenen Hügeln Roms. Die Römer lieben ihn als nahes Ausflugsziel, wohin man für ein paar Stunden aus seinem sommerheißen Viertel entfliehen und sich nicht satt sehen kann an dem grandiosen Panorama der Ewigen Stadt zu Füßen. So ganz nebenbei erfährt man auch noch von denkwürdigen Begebenheiten der jüngeren Geschichte Roms.









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