Reiseführer Rom

Gianicolo

Als Roms höchste Erhebung begeistert der 82 m hohe, langgestreckte Hügel zwischen Vatikan und Trastevere mit einem grandiosen Panoramablick auf die ausgebreitete Stadt zu Füßen, die nahen Albaner Berge und die Konturen der Gebirgsketten Latiums im fernen Hintergrund.

Gianicolo

Panoramablick über Rom


Es sind mindestens dreizehn Kuppen, Anhöhen, Hochflächen, teils nobel bebaut, teils dicht bewaldet, die das römische Stadtgelände modellieren, darunter die jedem Lateinschüler geläufigen sieben „klassischen“ Hügel Aventin, Caelius, Esquilin, Kapitol, Palatin, Quirinal und Viminal. Einmal, in konstantinischer Zeit, erschien auch der  Gianicolo (lat. Ianiculum) in einer Liste als einziger Hügel rechts des Tiber – vermutlich weil hier ein Heiligtum des Ianus lag, einer der ältesten römischen Gottheiten, die zumeist doppelköpfig dargestellt wurde, eben als „Januskopf“, dem Symbol der Doppeldeutigkeit.

Sonntags auf dem Gianicolo

Sonntags auf dem Gianicolo

Panoramablick über die Stadt

Die Römer lieben die großen und die versteckten kleinen Aussichtsterrassen, das Flanieren auf der platanengesäumten Passegiata del Gianicolo, wo sie in ganzen Familienverbänden ihre passegiata domenicale, den Sonntagsspaziergang, zelebrieren, auf den Wiesen lagernd picknicken oder sich nur mal eben aus ihren aufgeheizten Stadtwohnungen in die kühlende Brise flüchten, die über den Hügel streicht. Für die Kinder gibt es Ponyreiten und Puppentheater, Gelato und Tramezzini und Souvenirläden mit allerlei Krimskrams. Bricht die Dämmerung herein, rüstet man zum Aufbruch, die einen, um ins konkurrenzlose „Hotel Mamma“ einzufallen, andere kurven die Via Garibaldi hinab zu den Gourmettempeln in Trastevere – es ist Schichtwechsel auf dem Gianicolo: Liebespaare steuern jetzt die lauschigen Plätze an. Echte Romliebhaber wissen natürlich, dass es auf dem Gianicolo am schönsten ist, wenn der Tag erwacht und die aufgehende Sonne den Grünspan der Kuppeln und den ockerfarbenen Putz der Häuser in frisches Licht taucht und wenn sich abends der Himmel verfärbt, beziehen sie Position gegenüber, auf der Aussichtsterrasse des Pincio hoch über der Piazza del Popolo, um das feurige Rot zu erleben, das die Stadt erglühen lässt.

Ein Leuchtturm ohne Meer

Leuchttrum in Rom

Man erreicht den Gianicolo über den Ponte Principe Amedeo di Savoia, überquert dann die Piazza della Rovere und schon geht es bergauf. Rechter Hand, direkt an der Straße, liegt auf exterritorialem Gelände das zur Città del Vaticano gehörende Ospedale Bambino Gesù, eines der größten Kinderkrankenhäuser Italiens. Einige Straßenwindungen weiter traut man seinen Augen nicht, schiebt sich doch aus dem Grün ein leibhaftiger Leuchtturm aus hellem Marmor ins Blickfeld, 1911 hier hingestellt von dem Architekten Manfredo Manfredi, der auch das Nationalmonument für Vittorio Emanuele II. und dessen Grabstätte im Pantheon mitgestaltete. Der Faro ohne Meer, Schiffe und Leuchtfeuer ist ein Geschenk von Italienern, die nach Argentinien auswanderten. Anfänglich schickte er Lichtsignale in Italiens Nationalfarben grün, weiß, rot in die Nacht – so wollten es die vom Heimweh geplagten Patrioten im fernen Buenos Aires, bis die Behörden dem nächtlichen Farbenzauber ein Ende bereiteten.

Die helle Fassade der schönen Villa Lante liegt nun zur Linken. Ursprünglich als Sommerhaus gedacht, als Giulio Romano sie im frühen 16. Jahrhundert erbaute, ging sie später in den Besitz der Stadt Rom über. Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie Wohnsitz des deutschen Archäologen Wolfgang Helbig und seiner Frau, der russischen Prinzessin Nadejda Schakowskoy. Die Helbig-Familie verkaufte 1950 Haus und Grundstück an die Republik Finnland, die hier ihr Institutum Romanum Finnlandiae und den Sitz ihrer Botschaft am Heiligen Stuhl unterbrachte.

Gianicolo

Lange Reihen von Porträtbüsten italienischer Patrioten säumen die Straße, Abbilder der Getreuen Garibaldis, die an seiner Seite kämpften, als die vom geflohenen Papst Pius IX. zu Hilfe gerufenen Franzosen 1849 den Gianicolo berannten. Und genau in dieses Szenario passt das bis in die Baumkronen reichende dramatische Reiterstandbild der Anita Garibaldi, das sie im Galopp mit wehenden Haaren, hochgerecktem Arm und Pistole in der Hand darstellt. Rom: Reiterstandbild  der Anita Garibaldi Die junge Brasilianerin, Gefährtin des Freiheitskämpfers Giuseppe Garibaldi, stammte aus dem südbrasilianischen Laguna, wo sie Garibaldi kennen lernte, ihm nach Italien folgte und dort leidenschaftlich und kompromisslos den Kampf für die Einigung Italiens unterstützte. Nach der Niederlage am Gianicolo floh sie, schon schwer krank, mit ihrem Mann und den geschlagenen Truppen. Sie starb in der Nähe von Ravenna im Alter von nur 28 Jahren.

Den Piazzale Giuseppe Garibaldi, die große Aussichtsterrasse, dominiert das Reiterstandbild des „Helden zweier Welten“, der dem Risorgimento, der italienischen Einigungsbewegung, zum Sieg verhalf und auch in Brasilien und Uruguay republikanisch-demokratische Bewegungen unterstützte. Er starb 1882.

Unterhalb der großen Terrasse wird jeden Tag um Punkt 12 aus einer alten, erbeuteten, österreichischen Kanone ein Schuss abgefeuert. Und wenn sie es nicht schon ahnten, wissen die Römer dann zuverlässig: Es ist Zeit für den nächsten Cafè und den zweiten Tramezzino. Und so geht das hier schon seit 1904. Eingeführt hat dieses Ritual der oben erwähnte Papst Pius IX., der der kurzlebigen „Römischen Republik“ mit Hilfe ausländischer Truppen den Garaus machte. Am 1. Dez. 1846 ließ er erstmals von der Engelsburg den Schuss abfeuern, damit die Römer nicht mehr aus dem chaotischen Geläute der Kirchenglocken die richtige Zeit erraten mussten.

Am Ende der Passegiata del Gianicolo  liegt die 1655 erbaute Villa Aurelia, in der Garibaldi sein Hauptquartier eingerichtet hatte. Heute gehört sie zur American Academy in Rome, einer privaten Institution, Ort von Tagungen, Lesungen, Ausstellungen und Domizil der 30 Stipendiaten, die jedes Jahr hierher zu Studien und Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Schönen Künste und der Geisteswissenschaften eingeladen werden. Am Osthang des Hügels lockt der Botanische Garten (Orto Botanico) zu einem Besuch der hier reichhaltig versammelten mediterranen Vegetation. Folgt man der Via Garibaldi Richtung Trastevere, passiert man die mächtig schäumende Fontana Paola aus dem Jahr 1612 und noch ein Wegstück bergab liegt San Pietro in Montorio vom Ende des 15. Jahrhunderts mit dem berühmten Tempietto, dem zierlichen Rundtempel, geschaffen von dem großen Architekten der Renaissance, Donato Bramante.
Die ersten Restaurants schicken ihre Düfte über die Straße – wir sind in Trastevere.





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