Reiseführer Rom

Foro Italico

Es war das erste faschistische Mammutprojekt in Rom, damals noch unter seinem ursprünglichen Namen „Foro Mussolini“. 1927 bis 1933 entstanden unter Federführung des Architekten Enrico Del Debbio auf dem rechten Tiberufer am Fuß des Monte Mario die Kernbauten der gigantischen Sportanlage wie das Marmorstadion (Stadio dei Marmi), der Mussolini-Obelisk (den die Römer Il Monolite nennen), der dunkelrote Palazzo H als Sitz einer faschistischen Akademie. Erstaunlicherweise lag auch nach dem Krieg die Planung und Ausführung der Erweiterungs- und Neubauten auf dem nun „namentlich neutralisierten“ Terrain in den Händen des gleichen Architekten. In den Jahren 1956 bis 1960 gesellten sich zu den vorhandenen Sportstätten u. a. ein Schwimmstadion und Tennisplätze und das 1927 errichtete Stadio dei Cipressi wurde anlässlich der Olympischen Spiele 1960 zum Stadio Olimpico ausgebaut.  

Rom: Foro Italico

Marmorstadion mit Athletenstatuen. Im Hintergrund der riesige Bau der von Enrico Del Debbio entworfenen Parteizentrale des Partito Nazionale Fascista "Palazzo del Littorio". Das Gebäude mit über 1.300 Räumen wurde erst 1956 fertiggestellt. Es beherbergt seit 1959 das italienische Außenministerium und heißt jetzt Palazzo della Farnesina.


Architekt Del Debbio wollte, so seine Aussage, das Modell des „antiken Gymnasiums aufgreifen und in die faschistische Moderne transferieren“, darin seinem Auftraggeber Mussolini nacheifernd, der besessen war von der Idee, die klassische Antike mit der faschistischen Gegenwart zu verbinden.

Wie sich dieser Vorsatz in der Architektur des Foro widerspiegelt, zeigt beispielhaft das Marmorstadion mit seinen acht das Oval einfassenden Marmorstufen, die 20.000 Besuchern Platz bieten. Zunächst trainierten hier Studenten der angeschlossenen Akademie, später dann nutzten es die paramilitärisch agierenden Angehörigen der Jugendorganisation der Faschistischen Partei, Opera Nazionale Balilla, die den Nazis als Vorbild für die Hitlerjugend nach 1933 diente. Den oberen Abschluss des Stadions säumen in Anlehnung an klassische Vorbilder 59 mehr als 5 Meter hohe Statuen von Athleten aus Carara-Marmor.

Überwiegend aus Carara-Marmor besteht auch der Ponte Duca d`Aosta, die elegante Bogenbrücke, die den Tiber überwindet und als integraler Bestandteil des Foro auf einer Achse mit dem Mussolini-Obelisken und dem Brunnen mit der Weltkugel vor dem Olympia-Stadion liegt.

Der über 17 m hohe und rund 300 Tonnen wiegende Obelisk – auch er aus Carara-Marmor – erhebt sich im Zentrum des Foro Italico. In großen, tief eingefrästen Lettern trägt der Obelisk noch heute den senkrecht angeordneten Schriftzug MVSSOLINI DVX (Mussolini, der Führer) – da wirkt es geradezu zynisch, dass die Piazza, auf der er steht, dem Antifaschisten Adolfo Lauro de Bosis gewidmet ist. Ein aberwitziger Aufwand war notwendig, um den riesigen Marmorblock aus der Gesteinsschicht freizulegen, für den Transport in ein Gerüst aus Holzbalken zu schieben, ihn die Berghänge hinabzulassen auf mit Seife eingeschmierten Holzbohlen, von 36 Paar Ochsen elf Kilometer bis zum Hafen in Marina di Carara zu ziehen, auf einen Lastkahn zu wuchten, um ihn schließlich mit Hilfe hydraulischer Pressen auf dem Sockel aufzurichten. Ein beamteter Erbsenzähler hat aufgelistet, was die Aktion Obelisk gekostet hat, nämlich genau 2.343.792 Lire und 60 Centesimi. Hinzu kommt noch eine halbe Million Lire für die 32 kg schwere goldene Abdeckung der Spitze des Obelisken, „um ihn vor den Gefahren der Zeit zu schützen“. Doch mit dem Fall des Regimes andò perduta, ging sie verloren . . .

Großflächige Bodenmosaike aus weißen und langsam verblassenden schwarzen Marmorsteinchen von etwa 1 cm Kantenlänge – in Größe und Form antiken Vorbildern entsprechend – bedecken rund 7.000 m² der freien Flächen. Entworfen hat die Motive – Athleten, mythologische Szenen, Symbole und Parolen der faschistischen Zeit – Gino Severini (1883 – 1966), eine führende Figur der in Italien begründeten avantgardistischen Kunstbewegung des Futurismus. Er war Teilnehmer der documenta I (1955) und III (1964) in Kassel. Seitlich wurden weiße Monolithen platziert, in die „grundlegende Passagen des faschistischen Italien eingraviert sind“. So dieser Stein mit der Überschrift 9. Mai 1936 (im) 14. (Jahr der faschistischen Revolution). Der Duce proklamiert die Gründung des Imperiums . . . (nach der Besetzung von Äthiopien, Eritrea und Somalia). Oder dieser Gedenkstein für den Kadetten Piero Castellaci, dekoriert mit der goldenen Medaille für militärische Verdienste, fiel für die Eroberung des Imperiums.

Enrico Del Debbio zählte mit Marcello Piacentini zu den Lieblingsarchitekten Mussolinis. Beide waren Leitfiguren der „Scuola Roma“, einer Architekturströmung, die der „Beherrschungsarchitektur“ der Nationalsozialisten nahe kommt. Ihre Arbeiten blieben auf Rom beschränkt.

Es gibt immer wieder Initiativen, die allzu unverfroren präsentierte faschistische Architektur zu entschärfen z. B. die Inschrift MVSSOLINI DUX von dem Obelisken zu entfernen. Doch das öffentliche Interesse ist gering und die Römer betrachten offenbar die Spuren der zwei Jahrzehnte der Schwarzhemdenherrschaft ebenso entspannt wie die Hinterlassenschaften der Antike oder des Mittelalters.

Viale del Foro Italico im nordwestlichen Stadtteil Della Vittoria


Rom: Foro Italico




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