Reiseführer Rom

il Gesù

Sie ist die Hauptkirche des Jesuitenordens, der sich als Bannerträger der Gegenreformation verstand. Ins Leben gerufen wurde die „Gesellschaft Jesu“ (Societas Jesu, abgekürzt: S.J.) von dem baskischen Adligen Iňigo López de Loyola (später St. Ignatius). 1540 vom Papst als Orden anerkannt, agierte sie fortan als straff organisierte und mit einer umfassenden theologischen Bildung ausgestattete Speerspitze der nach dem Konzil von Trient kreierten katholischen Erneuerungsinitiative. Ihre klare Zielsetzung war es, den Protestantismus als „verdammenswerte Ketzerbewegung“ mit den Waffen des Intellekts, der Diplomatie und der Propaganda offen oder verdeckt zu bekämpfen. Dabei wurde die Kunstrichtung des Barock zu einem der wichtigsten Propagandamittel der Gegenreformation – die „visuelle Überwältigung“ des Betrachters, die Kultivierung der Sinnenfreuden, verschwenderische Vielfalt und die Auflösung strenger architektonischer und malerischer Elemente sollten als emotional aufgeladener Gegenentwurf zum saftlosen, kühl-profanen Erscheinungsbild des Protestantismus Gläubigen Gewissheit geben und Zweiflern den Weg weisen.

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Il Gesù, das historische Hauptquartier der Jesuiten, zeigt eine würdevoll-strenge Fassade, doch seine Innenausstattung sprengt alle Vorstellungen: es gibt spektakuläre Deckenfresken zu bestaunen und opulent ausgeschmückte Kapellen. Hier wurde mit viel Bombast umgesetzt, was Ignatius von Baumeistern und Künstlern forderte – ihr Wirken in den Dienst der katholischen Offensive gegen die „protestantischen Häretiker“ zu stellen.

Vielen Besuchern wird die Gestaltung der Fassade vertraut vorkommen, ist doch il Gesù der Prototyp für unzählige Sakralbauten (gelegentlich als „Jesuitenstil“ zitiert) in Europa und darüber hinaus – überall dort, wo der Jesuitenorden aktiv war. Die in Rom ansässigen Jesuiten hatten seinerzeit in Kardinal Alessandro Farnese einen großzügigen Förderer, der freilich auch seine Vorstellungen durchzusetzen verstand (so wollte er in der neuen Kirche einst begraben werden) und sein Name ziert das Schriftband über dem Portal. Auch konnte er bei der Berufung des leitenden Architekten einen Favoriten durchpauken, seinen Hofarchitekten Giacomo Barozzi da Vignola, mit dem er allerdings in der Frage der Fassadengestaltung nicht übereinstimmte und stattdessen 1571 Giacomo della Porta engagierte (übrigens hatte sich auch Michelangelo für das Projekt interessiert und einen Entwurf eingereicht).

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Portal mit Jesuiten-Emblem

Das Untergeschoss der Fassade zeigt Halbsäulen und Halbpfeiler mit Basen und Kapitellen, ein hervorgehobenes Portal, darüber ein kleineres und ein größeres Bogenfeld (Tympanon) und zwischen diesen das Emblem des Jesuitenordens, die drei ersten Buchstaben des Namens Jesu in teils griechischer Schreibweise: Iota, Eta, Sigma (IHS), vollständig so: ΙΗΣΟΥΣ. Die Statuen in den Nischen über den beiden Nebeneingängen zeigen den Ordensstifter Ignatius von Loyola und den Mitbegründer der Gesellschaft Jesu, den aus dem spanischen Königreich Navarra stammenden Francisco de Gassu y Javier, ein unter deutschen Katholiken als Franz Xaver verehrter Asienmissionar. Im oberen Geschoss wird das Motiv des betonten Portals durch das große Fenster aufgegriffen und und auch die Anordnung der Nischen wiederholt sich in der oberen Zone. Ein Dreiecksgiebel krönt die Fassade, flankiert von zwei verspielt wirkenden, spiralförmig eingerollten Voluten, deren Zweck es ist, die Strebepfeiler an den Seiten zu verdecken.

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Blick in die Kuppel

Betreten wir nun den Innenraum, der ganz nach den Vorstellungen der gegenreformatorischen Planer gestaltet wurde: In seiner Weiträumigkeit zeigt das Kirchenschiff dennoch eine Geschlossenheit, die jeden Kirchenbesucher in die Teilnahme an der Messe einbezieht. Der Grundriss kommt einem lateinischen Kreuz sehr nahe – nach Meinung der Planer sei dies die angemessene Raumform. Das von einem Tonnengewölbe (wegen der guten Akustik) überspannte Langhaus hat keine Seitenschiffe, nur je drei schmale Kapellen mit Altären flankieren die beiden Seiten. Das Querhaus (Querschiff) reicht kaum über die Breite des Langhauses hinaus. Es beherbergt die Vierung, also das Quadrat, das beim Zusammentreffen von Lang- und Querschiff gebildet wird, überspannt von einer Tambourkuppel (Kuppel auf einem runden Aufsatz). Wie schon erwähnt, legte man großen Wert auf eine angenehme Raumwirkung. Sie macht es möglich, dass man schon beim Betreten der Kirche einen freien Blick auf Vierung, Chor und Altar hat.

„Der Himmel kommt den Gläubigen entgegen“ - es reißt einem förmlich die Augen nach oben: das Deckenfresko des Giovanni Battista Gaulli, genannt Baciccia, ein eruptives Schaubild, dem er den Titel „Triumph des Namens Jesu“ gab. Es zeigt ineinander verschlungene menschliche und himmlische Gestalten, die der ewigen Glückseligkeit entgegen schweben oder in tiefe Verdammnis stürzen. Der römische Chronist Mauro Lucentini sieht in dem überbordenden Deckenfresko „eines der glückvollsten Ergebnisse der Bemühungen der Jesuiten, die mystischen Wahrheiten unvermittelt und sinnlich fassbar darzustellen“.

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Deckenfresko

An der Wand links vom Hauptaltar ist die Marmorbüste des Kardinals und Heiligen Roberto Bellarmino zu bewundern – ein Werk des Barock-Genies Gian Lorenzo Bernini. Und im linken Querhaus hat der Jesuiten-Priester Andrea Pozzo die Kapelle des heiligen Ignatius gestaltet, sie mit Gold, Silber und Lapislazuli üppig verkleidet, die Gebeine des Heiligen in dem goldbronzenen Sarkophag zur letzten Ruhe gebettet und eine Statue des Ignatius aufstellen lassen, die ursprünglich von Kopf bis Fuß aus Silber gefertigt war. Einer der Päpste musste sie einschmelzen lassen, um Reparationsforderungen Napoleons leisten zu können. Heute steht hier ein Replikat – allein dessen Kopf ist aus Silber.

(Piazza del Gesù)







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