Reiseführer Rom

„Madonnelle“, die kleinen Madonnen

Es gibt noch über 500 von den „kleinen Madonnen“ überall im historischen Zentrum Roms. Einst waren es erheblich mehr. Alessandro Rufini, ein römischer Historiker, dokumentierte 1853 nicht weniger als 2.739 von ihnen, vorzugsweise angebracht an den Hausecken gegenüber Straßenkreuzungen, ein Hinweis darauf, dass sich die Straßentabernakel von antiken römischen Gebräuchen herleiten.

Rom: Antico Caffe Greco

Kleine Schreine („Heiligenhäuschen“) wurden im alten Rom den Lares compitales, den Schutzgöttern, an Kreuzwegen errichtet, damit sie Ackerland und Weinstöcke schützten. Diesem Brauch folgten die der Maria (Madonna) gewidmeten Bildnisse, Schutz und Trost versprechend, Anlass für die vielen Pilger, innezuhalten zum Gebet und noch einen Nebeneffekt erfüllten sie zu der Zeit, als es noch keine Straßenbeleuchtung gab und das trübe Licht ihrer Andachtslämpchen nächtlichen Passanten den Weg wies. Und das noch recht lange, denn bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts legte sich nachts tiefe Dunkelheit über Rom. Dass die kleinen Madonnen der Abwehr von Verbrechen dienten, wie jemand schrieb, da „Räuber sich oft scheuen, dort ihr Unwesen zu treiben“, war wohl eher ein frommer Wunsch.

Madonnelle Madonelle

Die Madonnelle stammen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert, einige wenige auch vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Darstellung der Maria kann ein Gemälde sein oder ein Mosaik, auch ein kleines Kunstwerk aus Ton, Marmor oder Holz. Es wird eingefasst von einem oft üppig gestalteten Rahmen, davor ist eine Halterung für Kerzen oder Laternen angebracht. Viele sind überdacht von einem Baldachin aus Metall. Einigen Madonnenbildern wurden Wundertaten nachgesagt. Zumeist ging es dabei um die plötzliche und wundersame Heilung kranker Menschen. Die wundertätigen Bilder wurden dann in der Regel demontiert und in Kapellen benachbarter Kirchen untergebracht, auch um in den engen Straßen Menschenansammlungen zu vermeiden, die auf ein Wunder hofften. Und es gibt schöne Geschichten von kleinen Madonnen, die auf ganz eigene Weise reagierten, als sie mutwillig beschädigt wurden, etwa von einer Bowling-Kugel, die ein Spieler nach verlorenem Match wutentbrannt gegen eine Madonnelle schleuderte. In diesem Moment konnte er seinen Arm nicht mehr bewegen und er blieb gelähmt, bis er nach vierzig Tagen endlich seine Tat bereute. Ein anderes Madonnenbild wurde Zeuge einer Messerstecherei mit tödlichem Ausgang und weinte darauf bittere Tränen, echte Tränen, wie die Menschenmenge, die sich inzwischen angesammelt hatte, beteuerte.

Berühmt sind die Vorfälle im Jahr 1796, als Rom vor einer Invasion durch die französische Armee unter Napoleon stand und plötzlich einige Madonnelle begannen, ihre Augen zu bewegen, einige horizontal, andere vertikal – ein böses Omen für die Massen, die das Phänomen beobachtet haben wollten. Die religiösen Autoritäten machten sich daran, die Vorgänge zu untersuchen, kamen aber zu keinem abschließenden Urteil. Gleiches soll sich wiederholt haben, als 1835 eine Choleraepidemie die Stadt erreichte. Und wieder meinten Passanten, das drohende Unheil habe die Augen mancher Madonnen in Bewegung versetzt. „Entweder Dummköpfe oder Schwindler“ verbreiteten die Mär meinte Giuseppe Gioachino Belli in einem satirischen Sonett und: „Es gäbe da einige listige Leute, die munkeln, dass dieses Gewäsch eine weitere Inszenierung des Klerus sei“.





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