Reiseführer Rom

Palazzo Barberini

Der Wegbereiter dieses bedeutendsten römischen Barock-Palastes zählt zur Gilde der „Bauherrenpäpste“. Seine politische Bilanz freilich ist eher dürftig. Zwar konnte er ein letztes Mal dem Territorium des Kirchenstaats noch einige Landstriche hinzufügen, der katholischen Sache aber diente er nicht mit ganzer Kraft. Vielmehr wird Maffeo Barberini, der als Papst Urban VIII. von 1623 bis 1644 Kirchenoberhaupt war, übereinstimmend vorgehalten, sein Augenmerk überwiegend auf die Erhaltung und Ausweitung der Macht in Italien ausgerichtet zu haben. Er sei geradezu besessen gewesen von der Vision, den Ruhm und Glanz der Barberini-Familie zu verewigen. Die markante Landmarke des Palazzo Barberini im Stadtteil Trevi, ein architektonisches Glanzstück des Hochbarock, zeugt von seiner Entschlossenheit. Taddeo und Francesco Barberini, zwei Neffen des Papstes, gaben den Bau in Auftrag. Als Ideengeber und Finanzier wirkte Urban VIII.

Rom: Palazzo Barberini

Der Bauherr . . .

Was die Beschaffung von Geld und Baumaterial für die Errichtung des Palastes anging, war der Papst nicht gerade zimperlich: So ließ er Einfuhrzölle auf Weine von den Hängen der nahen Albanerberge erheben – zur großen Empörung der Römer, die ihn prompt zum „Papa Gabella“ (Steuerpapst) erklärten. Und wie schon die Renaissancepäpste vor ihm, betrachtete auch er das Colosseum als willkommenes Materiallager und Steinbruch. Besonders der Marmor hatte es ihm angetan, auch ließ er Travertinplatten demontieren und als Wandverkleidungen am Barberini-Palazzo wiederverwenden. Schrieb der schwäbische Poet Wilhelm Waiblinger 1827/29 in „Reisebilder aus Italien“: Solch großen Werken muss man selbst fast ihren Ursprung verzeihen: sie sind aus Steinen des Colosseums gebaut. Seine größte Schandtat war die Demontage des antiken Bronzebeschlags in der Vorhalle des Pantheon – immerhin 200 Tonnen, die zu 80 Kanonen für die Engelsburg umgegossen wurden, während sich der Rest in den berühmten Baldachin im Petersdom verwandelte. Er gab die Anweisung zum Bau des noch heute genutzten päpstliche Sommerpalastes in Castel Gandolfo, des Tritonen-Brunnens, der Kirche Santa Bibiana und zahlloser Militärbauten. Papst Urban plünderte antike Stätten und strapazierte aufs Äußerste die Staatskasse und ein Wortspiel machte die Runde: Quod non fecerunt barbari, fecerunt Barberini (Was die Barbaren nicht getan haben, das taten die Barberini). Zeitzeugen berichteten, in Rom habe man aufgeatmet, als Urban VIII. 1644 starb.
In jenem Jahr war der Palazzo schon seit längerer Zeit bewohnt.

Rom: Palazzo Barberini
. . . und sein Schloss

Entstanden war ein Prachtbau, dessen H – förmiger Grundriss sich an der Villa Farnesina orientierte. Dieses aus der Renaissance stammende stadtnahe Landhaus im Trastevere-Viertel folgte antiken Vorbildern. Der Architekt des Barberini-Palastes, Carlo Maderno, verband diesen Bautypus mit den Elementen eines Stadtpalastes zu einem barocken Palazzo neuen Stils. 1628 begannen die Arbeiten. Im Januar 1629 starb Maderno. Gian Lorenzo Bernini wurde sein Nachfolger. Beiden assistierte Francesco Borromini, einer der ganz Großen des römischen Barock, der gerne die Nachfolge angetreten hätte, aber von Bernini, wie noch später unzählige Male, ausgestochen wurde. Ihre lebenslange Rivalität, ja Feindschaft, nahm damals ihren Anfang und sie endete tragisch. Welche Änderungen Bernini und Borromini an dem ursprünglichen Entwurf Madernos vornahmen, lässt sich nicht mehr zuverlässig ermitteln.

Für die vielköpfige Barberini-Sippe war an einen zweigeteilten Bau gedacht: für die geistliche Hälfte der Familie und für die weltliche, untergebracht in den zwei Seitenflügeln und miteinander verbunden durch großzügige Treppenhäuser und einen repräsentativen Mitteltrakt. Dessen Schaufront öffnet sich zum parkähnlichen Garten an der Via delle Quattro Fontane. Hier betritt man den Palast und erlebt die Pracht der intensiv betonten dreigeschossigen und sich über sieben Achsen ausbreitenden Loggiafassade. Ihre Ausstattung wird Bernini zugeschrieben. Im Untergeschoss öffnet sich ein Pfeilervestibül mit vorgesetzten toskanischen Halbsäulen, darüber im sog. Piano Nobile (dem repräsentativen Geschoss) sind es ionische Halbsäulen und im Obergeschoss Halbpfeiler mit korinthischen Kapitellen. Auffallend die großen Fenster mit Rundbögen und im Obergeschoss mit perspektivischer Rahmung. Wie zurückgesetzt erscheint der sich links und rechts der Schaufront anschließende schmale Fassadenabschnitt mit je einem Fenster pro Geschoss. Borromini soll ihn gestaltet haben. Er leitet über zu den eher schlichten, über den Mitteltrakt hinaustretenden Nord- und Südflügeln, die mit zwei grandiosen Treppenaufgängen überraschen. Den einen im Südflügel entwarf Borromini, der andere im Nordflügel stammt von Bernini: Die ewigen Rivalen haben sich hier mit Treppenkunstwerken verewigt. Das von Borromini manifestiert sich in der ovalen Form einer opulenten Wendeltreppe, begleitet von toskanischen Doppelsäulen. Bernini dagegen legte zunächst eine langgezogene Rampe bis zur ersten Plattform an, dann steigt die Treppe auf quadratischem Grundriss nach oben, auch, wie Borrominis Werk, flankiert von doppelten toskanischen Säulen.

Besucher entstiegen ihren Kutschen vor der Schaufront, begaben sich von dort auf einer der Prachttreppen nach oben in das Piano Nobile mit dem über zwei Stockwerke reichenden, 15 Meter hohen und 25 Meter langen Mittelsaal (grande salone), dessen riesiges Deckengewölbe ein berühmtes Fresko von Pietro da Cortona schmückt. Seine brillante Allegorie auf das Pontifikat Urbans VIII. entstand in den Jahren 1633 – 1639. Es wird unterschiedlich betitelt. Eine der umfangreichsten Benennungen lautet „Der Triumph der göttlichen Vorsehung und die Verwirklichung ihrer Absichten durch das Pontifikat Urbans VIII.“ Andere, in gleicher Deutlichkeit auf die Barberini zugeschnittene Werke schufen u. a. Andrea Sacchi mit „Triumph der Göttlichen Weisheit“ oder Mitarbeiter des Pietro da Cortona, die Wandteppiche mit Episoden aus dem Leben Urbans VIII. anfertigten. Östlich an den grande salone schließt sich ein großer querovaler Raum an, der in seiner Schlichtheit verblüfft – nur ionische Pilaster und Skulpturennischen sind zu sehen – vielleicht ein Gartensaal oder eine Skulpturengalerie? Die Sala dei Marmi und die Sala delle Statue zeigen Exemplare der Skulpturensammlung der Barberini.

Rom: Palazzo Barberini

Der Treppenaufgang Borrominis

Rom: Palazzo Barberini

Der Treppenaufgang Berninis

Was blieb

Einst hatte Urbans Neffe, Kardinal Francesco Barberini, im Obergeschoss eine Bibliothek mit 60.000 Bänden und ca. 10.000 Handschriften eingerichtet und Giovanni Battista Soria dazu bewegen können, ihm für die Aufbewahrung der Schätze Schränke aus kostbarem Walnussholz zu zimmern. 1900/02 musste die Bibliothek samt wertvollen Schränken an die vatikanische Bibliothek verkauft werden. Von der Großartigkeit der einst so dominanten Barberini-Familie war nicht mehr viel übrig geblieben. Obwohl ein Meister des Nepotismus, der hemmungslosen Begünstigung von Familienangehörigen, die der Barberini-Sippe die unglaubliche Summe von 100 Millionen Scudi eingebracht haben soll („Der Festtag des Nepotismus begann in Rom zur Zeit des Urban VIII.“, so ein Zeitzeuge), fehlte an wichtigen Wendepunkten der Familiengeschichte etwas entscheidendes: Ein männlicher Nachfolger. Schon 1722 war ihr Geschlecht mit dem letzten männlichen Nachkommen namens Urbano erloschen. Seine Tochter Cornelia Costanza Barberini heiratete in sehr jungen Jahren unter brutalem Druck einen gewissen Giulio Cesare Colonna di Sciarra, der Wappen und Namen übernahm und den Familienzweig Barberini-Colonna gründete. Auch dieser erlosch 1893 in männlicher Linie. Der letzte männliche Abkömmling dieses Zweigs war Enrico Barberini-Colonna. Seine Tochter Maria setzte das Tauziehen um den Weiterbestand der Barberini-Herrlichkeit fort und heiratete Luigi Sacchetti dei Marchesi di Castelromano und begründete mit ihm die heutige Dynastie der Sacchetti-Barberini-Colonna, die zum „schwarzen Adel“ zählt, dem papsttreuen römischen Stadtadel, wie auch die Clans der Borghese, Ruspoli, Doria-Pamphili, Pallavicini, Orsini, Farnese.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert entstanden im Umfeld des Palazzo Barberini Kolossalbauten der italienischen Ministerien – für die noble Familie ein untrügliches Zeichen der Verbürgerlichung ihrer Nachbarschaft, Zeit also für sie, sich von dem Anwesen zu trennen. 1935 übernahm eine Finanzierungsgesellschaft einen Gebäudeflügel, 1949 wurde der gesamte Komplex vom italienischen Staat gekauft. Drei Jahre später verkauften die Barberini auch alle Gemälde und sonstigen Kunstwerke. In den linken Flügel zog die Galleria Nazionale d`Arte Antica ein und entlastete damit den Hauptsitz der Sammlung im Palazzo Corsini alla Lungara. Erst seit 2006 stehen alle Gebäudeteile der Galleria zur Verfügung: ein Fest für die Sinne Dank der großen Zahl bedeutender Gemälde italienischer Künstler des 13. bis 17. Jahrhunderts und ausgewählter Meisterwerke deutscher, spanischer, französischer und niederländischer Maler.

Via delle Quattro Fontane 13





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