Reiseführer Rom

Papst Julius II.

Der als Giuliano della Rovere 1443 geborene Sohn armer Eltern stieg durch Protektion rasch in der Kirchenhierarchie auf. Er bekleidete seit 1471 diverse Bischofsämter, die ihm ein hohes Einkommen bescherten. Auf damals nicht unübliche Weise – durch Bestechung und Versprechungen – wurde er 1503 zum Oberhaupt der Kirche gewählt. Unter seinen Zeitgenossen galt er als tatkräftig und überaus vital, aber auch als rücksichtslos und gewalttätig. Il terribile, der Schreckliche, nannte man ihn hinter vorgehaltener Hand. Er war der Inbegriff des Renaissancepapstes, der wie ein weltlicher Territorialfürst sich eine Entourage zulegte, Kriege führte, Gefallen an Prunk und Laster fand und den Kirchenstaat wie ein privates Erbland benutzte.
Auf der anderen Seite wurden gerade unter Julius II. durch die folgenreiche Verbindung des Papsttums mit der Kultur der Renaissance höchste künstlerische Leistungen hervorgebracht.

Papst Julius II. auf einen Gemälde von Raphael

Papst Julius II. auf einen Gemälde von Raphael


Während man sich noch an Europas Höfen und in intellektuellen Zirkeln über die päpstliche Territorialpolitik erregte, die sich nur schwerlich mit dem geistlichen Amt vereinbaren ließ, der deutsche Humanist Ulrich von Hutten Rom als „Hort aller Laster, Zentrum des Unglaubens, Mittelpunkt des abgefeimstesten Betrugs“ identifizierte und Erasmus von Rotterdam sich in seinem „Lob der Torheit“ über Julius` Hang zum Militärischen lustig machte, verfolgte der Gescholtene unbeeindruckt sein ehrgeiziges Ziel, Florenz als Kunstmetropole abzuhängen und die Stadt am Tiber von Grund auf umzugestalten, sie zum Mittelpunkt der Kunst und des humanistischen Gedankenguts zu machen. Julius II. verstand sich als der eigentliche Bauherr des neuen Rom und so sollte es auch die Nachwelt sehen. Es passt in jene Zeit, in der Bescheidenheit als Schwäche ausgelegt wurde, dass die Mächtigen wie besessen an ihrem ewigen Nachruhm feilten. Der kunstsinnige Papst hatte ein gutes Gespür für die großen Künstler im Lande und er holte sie alle nach Rom: Michelangelo und Raffael, Giulio Romano und Andrea Sansovino, Antonio und Giuliano da Sangallo, Perugino und Pinturicchio. Nur Donato Bramante war schon vor Ort.

Neben seiner nicht ganz uneigennützigen Rolle als großer Mäzen, tat sich Julius II. auch  als gerissener Politiker und „grimmiger Kämpfer“, der in voller Rüstung seine Feldzüge anführte, hervor. Gleich nach Amtsübernahme machte er sich daran, die vom Borgia-Papst Alexander VI. und seinem Sohn Cesare Borgia in deren Familienbesitz überführten Gebiete des Kirchenstaats zurückzuerobern und in das Kirchenterritorium wieder einzugliedern und danach den skrupellosen Borgia-Clan zu entmachten. Sein nächstes Ziel war die Festigung der eigenen Macht im Kirchenstaat und die Vertreibung der fremden Besatzungsmächte aus Italien. Es gelang ihm, Parma, Piacenza und Reggio  Emilia von den Franzosen zu befreien und dem Kirchenstaat einzuverleiben. Unter Julius II., der sich als Neubegründer feiern ließ, erlebte der Papststaat eine erste Blüte.   

Als Oberhaupt der katholischen Christenheit hinterließ dieser Papst keine nennenswerten Spuren. Die überfällige Reform an Haupt und Gliedern fand in ihm keinen Unterstützer.

Umso größer war seine Wirkung als Mäzen, als päpstlicher Auftraggeber großartiger Bauten und Kunstwerke in Rom, die für die Renaissancekunst im gesamten Abendland richtungweisend wurden. Am 18. April 1506 legte er den Grundstein für den Neubau der Peterskirche. Der Plan stammte von Bramante, der auch den Vatikanpalast umbauen ließ. Raffael begann mit der Ausmalung der Stanzen, der vatikanischen Prachträume, während Michelangelo die Deckenfresken in der Sixtinischen Kapelle schuf und fast an dem Riesenauftrag eines Grabmals für Julius II. verzweifelte, das seinen Platz in der Peterskirche haben sollte, wozu es aber nie kam. Das berühmte Bad für den Papst im Castel Sant`Angelo (Engelsburg) entstand vermutlich unter Bramantes Anleitung. Ein Besucher notierte zwei, drei Jahrzehnte später in seinem Tagebuch: „Hier suhlt sich in einer überwölbten Vertiefung Seine Heiligkeit in heißem Wasser, das aus der Statuette eines nackten Mädchens sprudelt.“

Plätze wurden erweitert und begradigt und neue schnurgerade Straßen angelegt wie die Via Giulia und die parallel dazu auf dem anderen Tiber-Ufer verlaufende Via della Lungara.
Das alles kostete natürlich enorme Summen. Zur Finanzierung der neuen Peterskirche schrieb Julius II., wie es seinerzeit üblich war, einen vollkommenen Ablass aus und zwar in der ganzen Christenheit, um die weltweite Bedeutung dieses Gotteshauses zu betonen. Als der sog. „Petersablass“ (Geldbetrag für den Kirchenbau spenden, dafür Erlass zeitlicher Sündenstrafen) in Deutschland verkündet wurde, kam es wenig später zu dem berüchtigten Geldgeschäft, in welches neben der römischen Kurie auch der Mainzer Erzbischof und das Bankhaus Fugger verstrickt waren. Dieser Vorfall war der letzte Anstoß für Martin Luthers Reformationsbewegung.

Es scheint, als wollte Julius II. das schlechte Image der Päpste etwas  aufbessern. Jedenfalls wetterte er heftig gegen die Simonie, die weit verbreitete Unart, kirchliche Ämter  zu kaufen (er selbst war auf diese Weise an die Macht gelangt!), gab sogar eine Bulle heraus, mit der er dank Simonie zustande gekommene Papstwahlen für null und nichtig erklärte – eine große Ankündigung, die folgenlos blieb. Und anders als viele seiner Vorgänger betrieb er keinen Territorialnepotismus, verschaffte also nicht seinen Familienangehörigen attraktiven Landbesitz und damit politische Machtpositionen, die sie zu Mitspielern auf der politischen Bühne gemacht hätten. Als Papst hatte er keine Mätressen und seine leiblichen Nachkommen hat er nicht gefördert, die er als sinnenfroher Kardinal gezeugt hatte. Von seinen drei Töchtern wurde Felice della Rovere als Ehefrau des römischen Fürsten Gian Giordano Orsini eine bekannte, einflussreiche Frauengestalt der Renaissance.





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