Reiseführer Rom

Pincio

Schon in antiker Zeit war der grüne Hügel hoch über der Piazza del Popolo unter wohlhabenden Römern eine begehrte Wohngegend, wo man in pompösen Villen residierte und sich an prächtigen Gärten erfreute. Lucullus, dessen luxuriöse Gastmähler sprichwörtlich wurden, war einer von ihnen. Seinen Besitz auf dem Gelände der heutigen Villa Medici hatte der siegreiche Feldherr mit den Reichtümern aus seiner Kriegsbeute finanziert. Ein anderer, nicht minder berühmter Grundbesitzer war der römische Historiker Sallust. Als Statthalter der Provinz Africa hatte er sein Geld gemacht und in den Luxuspark Horti Sallustiani am Südrand des Pincio investiert. So entstanden etliche Horti (Gärten), denen der Pincio seinen damaligen Namen Collis hortulorum – Hügel der Gärten – verdankte.

Rom: Antico Caffe Greco

Später verwilderte die Gegend. Villen und Gärten des römischen Adels verfielen. Erst im 16. Jahrhundert, als die Villa Medici und die benachbarte Kirche Trinità dei Monti errichtet wurden, belebte sich der Hügel wieder. Die von 1798 bis 1814 in Rom herrschenden französischen Besatzer hatten die Idee eines Volksparks mitgebracht und den Pincio als Experimentierfeld ausgesucht. Die Römer waren von der Idee sehr angetan, wurde doch der Park auf dem Pincio die erste für die Öffentlichkeit zugängliche Grünanlage der Stadt.

Giuseppe Valadier, ein römischer Architekt, gestaltete ihn in den Jahren 1810 – 1818 als eine klassizistische d. h. antiken Gestaltungsweisen folgende Parkanlage – geradlinig, einfach und streng gegliedert. Mit seiner östlichen Fortsetzung, dem Park der Villa Borghese, wurde der Pincio binnen kurzem zu Roms beliebtester Flanier- und Ruhezone.

Als sich Richard Wagner 1876 in Rom feiern ließ, notierte seine Frau Cosima unter dem 10. November in ihrem Tagebuch: „Nachmittag auf dem Monte Pincio spazieren gegangen, wunderbarer Eindruck.“ Und fast ein Jahrhundert später, irgendwann in den sechziger Jahren, begeisterte sich Ingeborg Bachmann: „Roms schönster Lustort bis auf den heutigen Tag!“

Rom: Pincio

1848/49, als sich in Italien, auch in Rom, wie in unzähligen anderen europäischen Städten und Regionen, revolutionäre Bewegungen durchzusetzen versuchten, plädierte einer der Wortführer der römischen Revolutionäre, Giuseppe Mazzini, für die Aufstellung von Portraitbüsten verdienter Italiener auf dem Pincio-Hügel. Zwar überlebte die römische Republik nur wenige Monate, doch der Erinnerungspark für die Großen der italienischen Geschichte nahm Gestalt an. 228 sind heute dort zu besichtigen, manche etwas lädiert – hier fehlt ein Ohr, dort die Nase – aber alle sind versammelt, die jemals in den Landschaften zwischen Alpen und Sizilien die Gemüter bewegt haben, der Kunst und der Politik, der Musik und der Dichtung neue Impulse gaben, oft genug mit Auswirkungen weit über die Landesgrenzen hinaus, denken wir an Dante und Galilei, da Vinci und Michelangelo, Garibaldi und Verdi.

Rom: Leonardo da Vinci, Pincio

Ein weiteres Highlight ist der „Balkon von Rom“, hinter dessen korrekter Bezeichnung Piazzale Napoleone I. sich eine große, auf massiv gemauerten Bögen ruhende Terrasse verbirgt. Sie bietet einen überwältigenden Ausblick über die Stadt zu Füßen. Hier lässt sich besonders intensiv das ständig wechselnde Licht über Rom erleben, bei klarem Himmel am Morgen, im mittäglichen schattenlosen Glast oder bei Sonnenuntergang, wenn sich die Dächer und Mauern der Stadt rot verfärben.

Rom: Blick vom Pincio

Blick vom Pincio

Wie aus der Zeit gefallen thront nahebei die um 1815 als öffentliches Kaffeehaus erbaute Casina Valadier, heute mit Gartenanlage, noblem Restaurant und noblen Preisen. Ein Weg führt von hier direkt auf den Antinous-Obelisken zu, so benannt nach dem kaum zwanzig Jahre alt gewordenen Geliebten des römischen Kaisers Hadrian. Der schöne Jüngling ertrank im Nil und genoss danach göttliche Verehrung. Aus Rosengranit wurde der 9,25 m hohe Obelisk in Rom angefertigt. Er trägt auf seinen vier Seiten die Lebensgeschichte des Antinous in Hieroglyphen, „geschrieben“ von einem in Rom ansässigen ägyptischen Priester.

Ein interessantes Objekt ist auch die Wasseruhr an der Viale dei Bambini, nahe der Büste des Petrarca. Das technische Meisterwerk wurde 1867 auf der Pariser Weltausstellung gezeigt und verblüffte die Besucher mit ihren Zeigern, die präzise auf Wasserdruck reagierten und noch mehr mit ihrem Konstrukteur, einem Dominikanerpater.

Architekt Valadier ließ Rampen anlegen, die in zwei Spitzkehren den steilen Hang oberhalb der Piazza del Popolo bewältigen. So konnten seinerzeit auch Kutschen die Höhe des Pincio erreichen. Für Fußgänger gibt es eine Reihe abkürzende Treppen zwischen den Kehren. Ein anderer, gern gewählter Zugang führt von der Piazza di Spagna vorbei am Barcaccia-Brunnen die Spanische Treppe hinauf. Oben angekommen, wendet man sich nach links, passiert das Portal der Kirche Trinità dei Monti und dann die Villa Medici.





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