Reiseführer Rom

Vespasian


Rom: Vespasian Die Hauptsorge des Titus Flavius Vespasianus (in der deutschen Kurzform: Vespasian) galt der Wiederherstellung der inneren Ordnung und den zerrütteten Finanzen, die dringend saniert werden mussten. Sein besonderes Fingerspitzengefühl war gefragt bei der überfälligen Disziplinierung der selbstherrlich gewordenen Truppen überall im Reich, hatten sie doch auch ihn auf den Schild gehoben, wie schon zuvor die um die Nachfolge Neros streitenden Galba, Otho und Vitellius.
Vespasian und seine Söhne Titus und Domitian, die einmal seine Nachfolger werden sollten, waren Aufsteiger. Personenkult und Verschwendungssucht im Stile Neros waren nicht ihre Sache. Sie setzten auf Volkstümlichkeit, auf Maß und Vernunft, auf pragmatisches Regieren.

Foto: Vespasian © Living Legend - Fotolia.com

Vespasians Großvater bekleidete den Rang eines centurio (Befehlshaber einer centuria / Hundertschaft). Sein Vater war Steuereinnehmer und später kleiner Banker im schweizerischen Aventicum, heute: Avenches im Kanton Waadt. Verheiratet war er mit einer Senatorentochter und gehörte dem Ritterstand an, der gesellschaftlich unter dem Senatorenstand angesiedelt war.
Vespasian gehörte mithin nicht zum alten Adel, aristokratisches Lebensgefühl war ihm fremd, eine spürbare Reserve des römischen Stadtadels begleitete seine gesamte Regierungszeit. Misstrauisch verfolgte man in den Palästen seine politischen Aktivitäten, immer bereit, „caesaristische Ausartungen“ öffentlich zu missbilligen. Zwar wurde in diesen Kreisen das Kaisertum bejaht, aber nur unter der Bedingung, dass der Kodex politischer Ethik, so wie ihn die führenden Schichten der Gesellschaft interpretierten, vom Herrscher anerkannt wurde.

Die römische Finanzwirtschaft kam wieder auf die Beine. Eine konsequente Eintreibung von Außenständen, Abgaben und Steuern machte es möglich. Selbst für die Benutzung öffentlicher Toiletten wurde eine Gebühr verlangt. Das ging Vespasians Sohn Titus denn doch zu weit, doch sein Vater hielt ihm eine Münze mit der berühmten, oft zitierten Bemerkung „pecunia non olet!“ (Geld stinkt nicht!) unter die Nase.
Und der Kaiser wollte Wunden heilen, dem Volk den öffentlichen Raum zurückgeben, den sich der Despot Nero unrechtmäßig angeeignet hatte. So entstand ab 72 in Neros ehemaligen Gärten das gigantische „Amphitheatrum Flavium“, das man später „Colosseum“ nannte. Es war ein Ort der Volksbelustigung, eine Schauder auslösende Stätte des Blutvergießens, wo sich Herrscher und Volk begegneten, um bei der Entscheidung über Leben und Tod der Gladiatoren in einen symbolträchtigen Wettstreit zu treten – hier der Kaiser, dort die Massen, Daumen nach oben, Daumen nach unten.
Neben der Finanzwirtschaft war auch die Außenpolitik ein Feld, auf dem Erfolge zu verzeichnen waren. Der Triumph im jüdischen Krieg etwa wirkte wie ein Fanal der Sieghaftigkeit, von dem die Dynastie zehren konnte. Auf dem Balkan drängte man die Daker zurück und in Britannien stießen die römischen Truppen bis nach Schottland vor. Gegen die unberechenbaren Parther sicherten starke Legionen den Grenzraum in den nahöstlichen Wüsten und das Gebiet zwischen Obergermanien (Germania superior) und Rätien (Raetia), d. i. das heutige Baden-Württemberg, wurde nach heftigen Kämpfen römisches Territorium. Damit war eine Verbindung zwischen dem Rheintal und der oberen Donau hergestellt. Am oberen Neckar wurde die Stadt Arae Flaviae gegründet (heute Rottweil) und nach ihr entstanden weitere befestigte Orte am Neckar und auf der Schwäbischen Alb.  

Rom: Titus Das Feld war gut bestellt, nur die Nachfolgeregelung erwies sich als problematisch. Die oppositionelle Aristokratie, der jede dynastische Empfindung suspekt war, grummelte heftig, als Vespasians Plan ruchbar wurde, Titus als Nachfolger aufzubauen. Schließlich lenkte sie zähneknirschend ein. Eine  „dynastische“ Lösung erschien ihr doch weniger gefährlich als ein sich zum Bürgerkrieg ausweitender Nachfolgestreit, wie er vor gerade einem Jahrzehnt getobt hatte.

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Dass es gegen Titus Einwände gab, lag auf der Hand. Er war bei politischen Säuberungen gnadenlos vorgegangen und mit besonderem Unbehagen verfolgte man seinen Lebenswandel im Osten. Er hielt sich Eunuchen und neigte zur Verschwendungssucht. Seine jüdische Geliebte Berenike, die Tochter des Herodes Agrippa I., holte er sogar nach Rom. Doch alle Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet, ein neuer Nero war nicht in Sicht. Er trennte sich von seiner Geliebten und rückte bewusst von seinem Vorleben ab. Selbst zu den Opponenten seines Vaters vermochte er eine belastbare Verbindung herzustellen und statt hart gegen Widersacher vorzugehen, legte er eine verbindliche Milde (clementia) an den Tag. Er handelte umsichtig, als gleich drei Katastrophen hereinbrachen: der Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79, der Herculaneum und Pompeji verschüttete, ein Brand, der in Rom drei Tage wütete und schließlich noch eine Rom heimsuchende Epidemie.

Als er völlig unerwartet nach nur zwei Jahren Regierungszeit 81 starb, gab es überschwängliches Lob für seine Leistungen, was für seinen Bruder Domitian, der ihm bis zum Jahre 96 im Amt folgte, nicht überliefert ist. Der jüngere der Vespasian-Söhne regierte streng, er schuf neue Handelswege nach Fernost, tat sich als engagierter Bauherr hervor und war auch außenpolitisch erfolgreich. Zugleich aber betonte er die gottähnliche Machtstellung des Kaisers und schwenkte so, „was Herrschaftspraxis und Herrschaftsdarstellung betraf“, wieder in die als überwunden geglaubten, von Nero vorgezeichneten Bahnen ein. Er wurde „hinterlistig ermordet“, wie der römische Schriftsteller Sueton in seinen Kaiserbiographien „De Vita Caesarum“ festhielt. An der Verschwörung beteiligt waren Personen aus seiner nächsten Umgebung, darunter auch seine Frau.





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