Streifzüge durch die südliche Peloponnes

Kalamata

Die Hafenstadt am Messenischen Golf ist eine überraschend moderne Metropole, deren Attraktivität einem traurigen Ereignis geschuldet ist. Darüber später mehr. Sie ist das Verwaltungszentrum des Regionalbezirks Messenien. Dank ihrer wirtschaftlichen Stärke und kulturellen Ausstrahlung nimmt sie eine Schlüsselstellung in der südlichen Peloponnes ein. Nach Patras ist Kalamata mit etwa 70.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt auf der Insel des Pelops.

Kalamata

Blick von der Burg auf Kalamata


Umgeben von weitläufigen Olivenhainen und Zitrusgärten breitet sie sich vor dem Westhang des Oros Taigetos aus, einer bis auf 2400 m ansteigenden mächtigen Gebirgskette, die die natürliche Grenze zur Nachbarprovinz Lakonien markiert. Es ist warm in Kalamata und Umgebung. Das Terrain um die Stadt gilt als eine der wärmsten Regionen Griechenlands. Und regenreich ist sie obendrein: an die 800 mm Niederschlag werden jährlich gemessen – ganz überwiegend während der Monate Oktober bis Februar. Das ist mehr als in Hamburg (740 mm) niedergeht oder in Hannover (670 mm). Und: Das fruchtbare Umland Kalamatas ist die Heimat einer ganz besonderen Gaumenfreude, der berühmten Kalamata-Oliven, die reich sind an Mineralien und Vitaminen, gesunde Fette aufweisen, mit der Hand gepflückt werden und zu den schwarzen Oliven zählen, obwohl sie sich dunkelviolett präsentieren.

Kalamata

Die Stadt konnte sich in ihrer langen Geschichte nie ganz in den Vordergrund schieben. Andere peloponnesische Örtlichkeiten wie Sparta und Korinth, Mykenae oder Olympia zogen die Blicke auf sich. Immerhin erwähnt Homer sie schon im 5. und 9. Gesang seiner Ilias und im 3. Gesang der Odyssee unter ihrem damaligen Namen Pharai, der noch hin und wieder im modernen Kalamata auftaucht und sei es als Hotelname. Die antike Stadt geriet unter spartanische Kontrolle, konnte sich befreien und Mitglied verschiedener Bündnissysteme werden, dann schweigen die Quellen. Erst nach dem unsäglichen 4. Kreuzzug (1204), trat Kalamata wieder ins Rampenlicht, als die Stadt zum Zankapfel zwischen diversen westeuropäischen und italienischen Bankhäusern, Fürsten- und Herzogtümern wurde. „Frankokratia“ nennen die Griechen die Fremdherrschaft jener bedrückenden Epoche. In diese Gemengelage stießen die Osmanen hinein und besetzten Kalamata 1481, mussten aber 1685 den Venezianern weichen, die sich angeblich auf deutsche Truppen stützen konnten, die Herzog Ernst August von Braunschweig den Venezianern vermietet hatte. Die Venezianer konnten sich bis 1715 halten, verloren dann aber die Stadt wieder an die Osmanen. Kalamata war die erste Stadt, die im griechischen Unabhängigkeitskrieg 1821 von der osmanischen Herrschaft befreit wurde. Sie entwickelte sich rasch zu einer prosperierenden Provinzkapitale und Hafenstadt.

Kalamata

Blick auf die Burg

In die Schlagzeilen der internationalen Presse geriet Kalamata im September 1986. Was damals geschah, hat der weitgereiste Erzähler Christoph Ransmayer in seinem „Atlas eines ängstlichen Menschen“ (2012) festgehalten. Er war unvermittelt ins Schlingern geraten, als er am Abend auf einer Serpentinenstraße hoch über Kalamata mit dem Motorrad unterwegs war. Verunsichert fuhr er weiter, ohne zu ahnen, dass ihn ein Erdbeben fast aus dem Sattel geworfen hatte. (Und dann) wurde mir plötzlich und erschreckend klar, was an diesem Himmel bedrohlich war: die ungebrochene Schwärze... (sonst) schimmerte über den Höhenzügen im Nordwesten stets der Lichtbogen Kalamatas, ein Abglanz, der viele Sterne, die nun den nordwestlichen Himmel durchsprengten, überstrahlt und unsichtbar gemacht hatte. Aber jetzt erhellte kein noch so schwacher, künstlicher Lichtschein die sternübersäte Dunkelheit über dem Ort (…) Kalamata war erloschen.

Ein Erdbeben der Stärke 6,2 hatte die Stadt heimgesucht und gewaltige Zerstörungen angerichtet. Allein ein Fünftel aller Gebäude im Ort lag in Trümmern. Von den damals etwa 50.000 Einwohnern wurden über 300 verletzt und 20 fanden den Tod. Dass die Opferzahlen relativ gering blieben, war eine gnädige Fügung. Der 13. September war ein warmer Spätsommertag, ein Samstagabend, an dem sich die meisten Bewohner im Freien vergnügten, Open-Air-Cafés bevölkerten oder es sich in Gartenrestaurants gut gehen ließen. Das gleiche Ereignis an einem kühl-nassen Winterabend hätte deutlich mehr Opfer gefordert.

Die örtlichen Autoritäten und zahllose Privatleute legten sich ins Zeug und konnten in erstaunlich kurzer Zeit die Spuren der Zerstörung beseitigen und der Stadt ein neues, modernes Aussehen geben – beispielhaft die Gestaltung der Hafenpartie nebst Uferstraße mit Flaniermeile, Restaurants, Cafés und Hotels und die innerstädtische Odós Aristoménous, eine platzähnlich erweiterte Prachtstraße, wo es sich vergnüglich promenieren lässt.

Auf dem mächtigen Felsbuckel über der Stadt sind die Außenmauern einer ursprünglich in frühbyzantinischer Zeit errichteten und später erweiterten Burg zu besichtigen. Ein modernes Amphitheater liegt am Hang und allein schon wegen der phantastischen Aussicht lohnt sich der Aufstieg auf den Fels.

Agii Apostoli

Agii Apóstoli

Agii Apóstoli, die Kirche der Heiligen Apostel im historischen Zentrum der Stadt, überstand das Erdbeben mit etlichen Beschädigungen, ist aber längst wieder restauriert und zugänglich für Besucher. Dieses älteste Gebäude der Stadt, dessen Anfänge bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen, ist für die Einheimischen von großer Bedeutung, denn hier gab der legendäre Freiheitskämpfer Petros Mavromichalis 1821 das Signal zum Aufstand gegen die osmanische Herrschaft.

Unbedingt besuchen sollte man das kleine, intime Archäologische Museum mit einer sehenswerten Sammlung von Fundstücken aus der Region d. h. aus den Provinzen Messene, Trifylia, Pylia und Kalamata.

Kalamata

Eisenbahnmuseum

Interessant ist auch das Eisenbahn-Museum im Stadtpark, denn hier sind Waggons, Lokomotiven, Triebwagen und Zubehör der leider 2011 stillgelegten Peloponnes-Eisenbahn versammelt, deren atemberaubende Streckenführung von Eisenbahnfans zur schönsten in Europa erklärt wurde. Erläuterungen zu Wagenpark, Streckennetz und Geschichte sind wünschenswert wie auch mehr Aufwand beim Erhalt der Ausstellungsobjekte.





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