Streifzüge durch die südliche Peloponnes

Mistras

Zu den Klöstern und Kirchen der Unterstadt (1)
Das Monemvasia-Tor bezeugt den Willen der frühen Bauherren, die Stadt gegen Angriffe von außen und mögliche innere Rebellionen zu schützen. So hatte man nicht nur eine hohe, die Stadt umschließende Mauer errichtet, sondern auch noch ein zusätzliches, nicht minder stark gesichertes Befestigungswerk zwischen Ober- und Unterstadt. Dicht gedrängte und steil ansteigende Wohnviertel – heute noch als Ruinen erkennbar – zogen sich über den Hang der Unterstadt. Wer zwischen beiden Stadtteilen hin- und herwechseln wollte, musste das stark befestigte und streng bewachte Tor passieren, das mit einem per Flaschenzug bewegtem eisernen Fallgatter gesperrt werden konnte.

Mistras
Es geht nun weiter rund 250 m den zerklüfteten Pfad hinab auf ein mächtiges Mauergeviert zu, hinter dem das Pantánassa-Kloster liegt. Das der Panagia Pantánassa, der „Allherrscherin“, geweihte Kloster ist das letzte große im byzantinischen Mistrás entstandene Bauwerk. Seine Anfänge gehen auf den schon mehrfach erwähnten Manuel Katakouzenós zurück. Erweitert, schließlich vollendet und geweiht wurde es 1428 von Johannes Frangópoulos, einem Minister des seinerzeitigen Despoten Konstantin XI. Palaiologos, der später als byzantinischer Kaiser das Reich an die Türken verlor. Das Frauenkloster wird heute als einzige Einrichtung der Ruinenstadt noch genutzt. Seine betagten Nonnen ertragen geduldig die Besucher, die sich hier umsehen und den üppigen Blumenschmuck bewundern, um anschließend die Quelle zu belagern, die ihnen frisches, kühles Wasser für ihre längst geleerten Wasserflaschen beschert. Die Klausen, die kleinen Behausungen der Nonnen, begrenzen die eine Seite des langen Innenhofs, gegenüber erhebt sich die gut erhaltene Klosterkirche des schon geläufigen „Mistrás-Typus“. Ihr Erdgeschoss ist als dreischiffige Basilika ausgelegt, während der obere Teil die Form einer Kreuzkuppelkirche mit Emporen und fünf Kuppeln aufweist, nämlich eine Hauptkuppel über der Kirchenmitte, eine weitere hohe Kuppel über der Empore des Narthex und kleinere Kuppeln an den Ecken. Der freistehende, vierstöckige Glockenturm zeigt besonders ausgeprägt westliche, „fränkische“ Stilelemente der Romanik und Gotik wie Drillingsfenster, darüber gotische Blendbögen, Kleeblattöffnungen (Dreipässe), Dreiecksgiebel zwischen den Türmchen oben auf dem Glockenturm. Von dem ursprünglichen Freskenschmuck sind gut erhaltene Werke im oberen Geschoss und an den Gewölben der Kreuzarme zu besichtigen. Übermalungen aus dem 17. und 18. Jahrhundert dominieren im Untergeschoss. Die intensiv farbigen Fresken aus der Frühzeit der Klosterkirche mit auffallend figurenreichen Szenen und vielen malerischen Details gelten als „letzte Vertreter spätbyzantinischer Malerei“, die das Ende „einer jahrhundertelangen Entwicklung in Mistrás“ markieren.

Mistras

Nächstes Ziel ist das Perívleptos-Kloster. Es liegt etwa 80 m tiefer als das Pantánassa und die holperige Serpentinenstrecke dorthin wird an die 400 m betragen. Die Klosterkirche scheint in ein heftiges Ringen mit dem sich breit machenden Felsen verstrickt, zieht dabei den Kürzeren und muss sich mit einem unregelmäßigen Grundriss abfinden.

Mistras
In den Felsen hinein gebaut ist dagegen die Kapelle an der Westseite der Kirche. Ein weiterer, abseits im Süden stehender turmähnlicher Bau mit vielen „fränkischen“ Stilelementen war vermutlich das Refektorium des Klosters. Wer der oder die Stifter der Anlage waren, ist nicht eindeutig geklärt. Sie stammt wohl aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Auch die in das rundbogige Eingangsportal eingelassene Platte gibt keine Auskunft über die Stifter.

Mistras
Sie zeigt das runde Monogramm der Períleptos, flankiert von zwei Löwen, Wappentieren der miteinander verwandten Dynastien Kantakouzenós und Lusignan. Ferner sind Wappenlilien in den Ecken zu erkennen, die „fränkischen“ Einfluss verraten und unten rechts, nur noch mit Mühe zu entziffern, die Inschrift „5. März 1714 erbaut, auf Kosten des Panajotis Thiveos“ . . . der das Portal errichten ließ. Vergleichbar mit der Agía Sophía in der Oberstadt ist die Perívleptos eine dreischiffige Kreuzkuppelkirche, deren Kuppel von zwei Säulen und zwei Pfeilern getragen wird und im Osten weist sie die üblichen drei Apsiden auf. Berühmt ist die Klosterkirche für ihren reichen Freskenschmuck, der vor einigen Jahren umsichtig gereinigt und restauriert wurde. Er führt Besuchern einen vollständigen mittel- bis spätbyzantinischen Bilderzyklus vor Augen, wie er in Konstantinopel erdacht und jahrhundertelang gepflegt und in der byzantinischen Welt verbreitet wurde. Wer sich einer fachkundigen Führung anschließen kann, wird viel Interessantes über die malerische Ausschmückung dieser Kirche und die byzantinische Kunst im Allgemeinen erfahren.

Mistras
Eine längere Strecke (schätzungsweise 500 m) folgt nun der steinige Pfad der Stadtmauer in nördlicher Richtung. Agios Geórgios` und Agios Christóphoros` melancholische Ruinen säumen den Weg, dann macht linker Hand ein eingerüsteter Prachtbau auf sich aufmerksam. Einst im Besitz der einflussreichen Familie Laskaris, gilt das zur Zeit (2018) umfassend restaurierte dreistöckige Gebäude als beispielhaft für Mistrás` profane Architektur. Man erkennt die Keller- und Wirtschaftsräume im Parterre des Laskaris-Hauses. Zum Teil sind sie von Tonnengewölben überdeckt. Es gab eine Zisterne und in einem der Vorratsräume wurden die tönernen Píthoi, die Krüge mit dem Olivenöl, aufbewahrt. Der zur Gasse gelegene Raum hinter dem offenen Bogen wurde häufig als Stall für Pferde und Esel genutzt. Über eine Außentreppe erreichte man das sogenannte Triklínion im oberen Stockwerk, den Wohnbereich der Familie. Der Haustyp im Stil des Laskaris-Hauses wurde tief in den Hang hineingebaut, was die Bauarbeiten erschwerte und verteuerte, gab ihm aber ein stufenartiges, abwechslungsreiches Aussehen im Gegensatz zu dem anderen Typus, dessen Längsseiten parallel zum Abhang verliefen und oft etwas monoton wirkten.

Mistras

Vorbei am Haupteingang und der Metrópolis schlängelt sich der Weg in den Bereich des Vrontochion-Klosters im Nordteil der Unterstadt.
Die dem Heiligen Dimítrios, dem Schutzpatron der Soldaten, geweihte Metrópolis, ist die älteste Kirche Mistrás`. Sie entstand laut einer Inschrift an der Südmauer 1291/92 als dreischiffige Basilika auf Veranlassung des kretischen Metropoliten (Bischofs) Nikiphóros Moschópoulos. Der Bau erfuhr Anfang des 15. Jahrhunderts eine radikale Veränderung, als der damalige Bischof Matthäos die Dächer und Gewölbe der Basilika abreißen und auf den Gebäudestumpf Kreuzkuppelelemente setzen ließ. Über dem Narthex wurde eigens für die Hofdamen eine Tribüne errichtet, um ihnen die Teilnahme am Gottesdienst zu ermöglichen.

Mistras
Aus jener Zeit stammt auch der eher einem Festungsturm ähnelnde Glockenturm vor der Südostecke der Kirche. An der Südwestseite der Ummauerung gelangt man in den äußeren westlichen Hof und von dort über eine Treppe in den größeren inneren Hof mit schönen Bogengängen und dem ehemaligen Bischofspalast, der heute als Museum fungiert. Es zeigt auf zwei Stockwerken die verschiedensten Fragmente von Architekturen, Ikonostasen und Wandmalereien sowie Schmuckelemente, Dekorationen, Skulpturen, Inschriften und Ausgrabungsfunde alltäglicher Gegenstände.

Mistras
Die Gestaltung dieses Innenhofs geht auf Bischof Ananías Lampárdis zurück, der 1760 von den türkischen Machthabern hingerichtet wurde. Während des Umbaus im 15. Jahrhundert wurden die älteren Wandmalereien teilweise zerstört. Was an Freskoschmuck des ausgehenden 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts (unten) und des 15. Jahrhunderts (oberer Bereich) erhalten blieb, ist sehenswert. Szenen aus dem Leben des Soldatenheiligen Dimítrios sind im nördlichen Schiff zu bewundern, wie auch alle übrigen Wände der Kirche mit Fresken zu verschiedenen Themenkreisen und in unterschiedlichen Stilrichtungen ausgeschmückt sind. Im Fußboden vor dem Altarraum ist eine Marmorplatte eingelassen. Ihre Reliefdarstellung zeigt den byzantinischen doppelköpfigen Adler. Auf dieser Platte soll Konstantínos XI. am 6. Januar 1449 gestanden haben, als er zum byzantinischen Kaiser gekrönt wurde, wohl schon ahnend, letztes Oberhaupt des Reiches zu sein und in naher Zukunft sein Land an die Türken zu verlieren.

Mistras





Das könnte Sie auch interessieren

.