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Manufattura dei Tabacchi - Tabakfabrik in Trastevere

Es war ein Papst, der den Auftrag zum Bau der Tabakfabrik erteilte. Und das nicht ganz uneigennützig, denn das päpstliche Tabakmonopol erwies sich für den Kirchenstaat als eine sichere und überdies üppige Finanzquelle. Es geschah in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts und war Teil eines ambitiösen städtebaulichen Projekts, das von Papst Pius IX. - damals noch eher liberal gestimmt – nach Kräften gefördert wurde. So entstanden im unmittelbaren Umfeld der Fabrik, im Quartiere Mastai, für die Fabrikarbeiter auch zwei- und dreigeschossige Wohnbauten.

Manufattura dei Tabacchi
Tabakfabrik in Trastevere

Manufattura dei Tabacchi - Tabakfabrik in Trastevere


Er war eine bemerkenswerte historische Persönlichkeit, nicht nur weil er mit 31 Jahren und 8 Monaten das längste Pontifikat aller Päpste innehatte. Nach einer kurzen liberalen Phase, die in progressiven Kreisen einige Hoffnungen auslöste, verschrieb er sich zunehmend einer konservativ geprägten Politik, wurde zum Gegner republikanischer Bestrebungen und konnte auch kein Verständnis für die italienische Einigungsbewegung (Risorgimento) aufbringen. Das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens geht auf ihn zurück wie auch das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes. Dem neuen italienischen Nationalstaat (seit 1861) konnte er nichts abgewinnen, zumal seine Konstituierung mit dem Verlust des päpstlichen Territoriums einherging. Er zog sich zurück und verstand sich (wie auch seine Nachfolger) als „Gefangener im Vatikan“ bis die Krise zwischen dem Königreich Italien und dem Heiligen Stuhl mit den Lateranverträgen 1929 beigelegt werden konnte.

Papst Johannes Paul II. ließ Pius IX. im Jahre 2000 trotz massiver Proteste selig sprechen.

Zurück an den Platz in Trastevere, der den Namen der Papstfamilie, Mastai, trägt. Vor dem mächtigen Fabrikgebäude entstand zeitgleich auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes ein Brunnen. Er sollte den Vorplatz auflockern und Architekt Andrea Busiri Vici ließ sich darauf ein, auch wenn ihm Zeitmangel zu schaffen machte, war er doch schon mit der Errichtung der Arbeiterunterkünfte ausgelastet. Für lange Planungen fehlte also die Zeit und so orientierte sich Vici an seinem berühmten Vorgänger Giacomo della Porta, Gestalter zahlloser römischer Brunnen und einer der „letzten Vertreter der Hochrenaissance vor dem Übergang zum Barock“ (wie ihn Lucentini charakterisiert) und folglich geriet der Brunnen eher zu einer späten Renaissanceschöpfung als zu einem zeitgemäßen Kunstwerk des 19. Jahrhunderts. Auf einer dreistufigen Basis ruht ein achteckiges Bassin mit dem Familienwappen der Papstfamilie Mastai-Ferretti. Vier Delphine mit verschlungenen Schwänzen stützen ein rundes Bassin, durch dessen vier Löwenköpfe das Wasser aus dem oberen in das untere Bassin fließt. Schließlich tragen vier Putti das konvexe Schlusselement, welches das Wasser wie einen Vorhang herunter tröpfeln lässt. Das Wasser entstammt übrigens der Fontana dell`Acqua Paola auf dem Gianicolo.



Auch die Manufattura selbst, ein Industriebau mit vorgeblendeter monumentaler Palazzo-Fassade, weist Stilelemente der Spätrenaissance auf, wie sie der Architekt Vincenzo Scamozzi seinerzeit bei seinen Villa-Bauten verwendete. Zur Zeit, als der Bau entstand, in den Jahren 1860 – 1863, frönte auch ihr Architekt, Antonio Sarti, der damals weit verbreiteten römischen Vorliebe für die Architektur des 16. Jahrhunderts, Ausflügen in die Vergangenheit, die man als „Neo-Renaissance“ titulierte. Der siebenachsige Mittelteil wird als „große Ordnung im dorischen Stil“ beschrieben. Man erkennt Halbsäulen, glatt und schlicht mit einfachen Kapitellen, darüber ein nahezu schmuckloser Giebel. Die beiden an dem entfernt tempelähnlichen Mittelteil angrenzenden Flügelachsen treten leicht zurück, die drei folgenden springen wieder leicht vor. Pius IX. konnte nicht der Versuchung widerstehen, der Nachwelt als gönnerhafter Bauherr in Erinnerung zu bleiben. So verkündet unterhalb des Giebels ein Spruchband:

PIUS IX. P(ontifex) M(aximus) OFFICINAM NICOTIANIS FOLIIS ELABORANDIS A SOLO EXTRUXIT ANNO MDCCCLXIII
Papst Pius IX. hat die Fabrik zur Verarbeitung der Tabakblätter von Grund auf erbaut im Jahre 1863

Zwischen den Halbsäulen verewigten sich mit ihren Haus- oder Familienwappen auch die Apostolische Kammer (links), nochmal der Papst (Mitte) und der damalige Finanzminister Ferrari (rechts).

Die Arbeitsräume gruppierten sich um einige Innenhöfe. Sie waren sehr schlicht gestaltet, ihre Funktion stand ganz im Vordergrund. Nach der Verlagerung der Produktion in einen anderen Stadtteil, zogen Verwaltungsbehörden ein. Heute ist das Haus Sitz der „Direzione Generale dei Monopoli di Stato“ (Generaldirektion der staatlichen Monopole).

(Piazza Mastai in Trastevere)





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